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Kommentar Vorratsdaten-UrteilGuter Tag für Bürgerrechte

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Vorratsdaten-Urteil hat Licht und Schatten: gut, dass Geheimdienste keinen Zugriff auf die Vorratsdaten erhalten. Doch das Urteil könnte Basis für eine umstrittene Kriminalpolitik werden.

D ies ist ein typisches Karlsruher Urteil. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Aber das Gericht sagte lediglich: So nicht! Das heißt, mit einigen Korrekturen kann der Bundestag die Vorratsdatenspeicherung in leicht veränderter Form bald wiedereinführen.

Der Gesetzgeber kennt nun jedenfalls die Karlsruher Vorgaben und könnte damit dem Widerstand den Wind aus den Segeln nehmen. Gut möglich, dass Karlsruhe mit seinem Urteil die Voraussetzungen für eine hoch umstrittene Kriminalpolitik geschaffen hat. Auch sonst hat das Urteil Licht und Schatten. Gut ist, dass Geheimdienste in der Regel keinen Zugriff auf die Vorratsdaten erhalten sollen, denn hier wäre der Einschüchterungseffekt am größten. Positiv ist auch, dass Kontaktaufnahmen zu Aids- und Drogenberatungsstellen nicht an Sicherheitsbehörden gemeldet werden dürfen: Dass soll vermeiden, hier Hemmschwellen zu schaffen. Schwach ist hingegen, dass die Zuordnung von IP-Adressen zu realen Personen bei jeder noch so geringen Straftat möglich ist - und dies sogar ohne Richtervorbehalt. Hier wird die Freiheit des Internets, die ja wesentlich auf der Anonymität beruht, zu leichtfertig preisgegeben.

Jetzt schaut alles auf die Berliner Koalition. Solange sie über eine Neuregelung berät, gibt es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung. Das kann spannend werden. Die Union wird vermutlich zur Eile drängen und auf drohende Sicherheitslücken verweisen. Dagegen könnte die FDP auf Zeit spielen, weil sie die Speicherung von Bürgerdaten ohne konkreten Verdacht ohnehin ablehnt.

Bild: taz

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

So ist es einen Versuch wert, auf europäischer Ebene gleich auf eine Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung zu drängen. Erst am Wochenende hat die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding erklärt, dass sie die Vorratsspeicherung "auf den Prüfstand" stellen will. Sechs weitere Staaten haben bislang noch nicht einmal Gesetze geschaffen, um die EU-Vorgabe umzusetzen.

Das Karlsruher Urteil hat jedenfalls wichtige Argumente für diese europäische Debatte geliefert. Es hat klargemacht, dass die vorsorgliche Speicherung gewaltiger Mengen alltäglicher Bürgerdaten nur sehr schwer zu rechtfertigen ist. Hoffentlich wird das Signal in vielen Staaten Europas verstanden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

1 Kommentar

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  • W
    WaltaKa

    Was kümmerts die Regierung und die Abgeordneten dieser Republik, dass eins ihrer angeblich wichtigsten Gesetze (und nicht das erste!!!)gerade vom obersten Gericht als Verfassungsfeindlich hinweggefegt wurde.

    Schnell, schnell, die da "Oben" wollen sich möglichst schnell was Neues zurecht schneidern.

    Verfassung hin oder her, was kümmerts sie. Bis die nächste Klage dagegen Erfolg hat, dürfen die sogen. Sicherheitsämter dieses Landes im Auftrage der Regierung die nächsten Jahre erstmal tun und lassen was sie wollen.

    So, wie ich dies alles verstehe in diesem Lande, sollen doch eigentlich die Regierung und auch die Abgeordneten im Rahmen des Grundgesetzes tätig sein und die Gedanken des Grundgesetzes beachten, hüten und schützen.

    Es scheint, hier im Lande regiert und bestimmt zunehmend eine politische Klasse, die auf das Grundgesetz pfeift und sich qua Mißachtung und gewolltem Verfassungsbruch eine neue Republik basteln möchte.

    Der Schluß wäre: der Verfassungsfeind sitzt weder links noch rechts in dieser Gesellschaft, die Verfassungsfeine mit Sehnsucht nach einem anderen Staat sitzen mitten drin.