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Kommentar Volksentscheid "Stuttgart 21"Das Thema wird nicht erledigt sein

Nadine Michel
Kommentar von Nadine Michel

Auf die Kostenkarte können die "S21"-Gegner trotz der bitteren Niederlage bei der Volksabstimmung setzen. Immerhin nähern sich die Kosten bereits jetzt der Obergrenze.

D en Gegnern von Stuttgart 21 bleibt angesichts des deutlichen Abstimmungsergebnisses nichts anderes übrig, als ihre Niederlage anzuerkennen. 58,8 Prozent wollen den Tiefbahnhof. Untermauert wird diese Mehrheit von einer hohen Wahlbeteiligung, die weit über dem Durchschnitt von landesweiten Volksabstimmungen liegt.

Und nicht zuletzt hat selbst die Landeshauptstadt Stuttgart mehrheitlich gegen den Ausstieg aus dem Bahnprojekt gestimmt. Deutlicher hätte das Ergebnis nicht sein können.

Doch das heißt noch lange nicht, dass das Thema endgültig erledigt ist. Und dabei stehen sowohl die Gegner wie auch die Projektpartner weiter in der Verantwortung. Die "S21"-Gegner haben mit ihrem Protest schon viel erreicht und wenn sie von ihren Sachargumenten überzeugt sind, gäbe es genug Gründe, weiter auf eine große Transparenz zu drängen und die Bauarbeiten kritisch zu begleiten.

Die Autorin

NADINE MICHEL ist Baden-Württemberg-Korrespondentin der taz.

Genauso steht nun vor allem die Deutsche Bahn in der Pflicht. Das Abstimmungsergebnis ist kein Freifahrtsschein. Die Bahn hat immer wieder abgestritten, dass die Kosten die vereinbarte Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro übersteigen würden. Nun muss sie das tatsächlich unter Beweis stellen und alle Zahlen offen auf den Tisch legen.

Auf die Kostenkarte können die S21-Gegner trotz der bitteren Niederlage bei der Volksabstimmung weiter setzen. Immerhin nähern sich die Kosten bereits jetzt der Obergrenze. Und die grün-rote Landesregierung hat beschlossen, dass sie keinen Cent mehr bezahlen wolle.

Damit steht auch die Regierung in der Verantwortung. Die Baden-Württemberger haben in dem Vertrauen abgestimmt, dass das Land eben nicht mehr bezahlt. Sollte Grün-Rot an dieser Stelle doch einknicken, würde sie zusätzliches Vertrauen in die Politik verspielen. Und das hat unter "Stuttgart 21" schließlich schon genug gelitten.

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Nadine Michel
Inlandskorrespondentin
Jahrgang 1982, ist seit 2010 Korrespondentin in Stuttgart. Von dort berichtet sie über die Landespolitik sowie wichtige Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen – und natürlich immer wieder über das Dauerthema Stuttgart 21. Zuvor arbeitete sie als Klima- und Energieredakteurin im taz-Ressort Wirtschaft & Umwelt. Ausgebildet wurde sie an der Berliner Journalisten-Schule.
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14 Kommentare

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  • S
    schorse

    Zu kurz gedacht

     

    Es war halt einfach zu kurz gedacht, wir machen eine Volksabstimmung und das Volk wird's schon richten. Leider zeigt sich, dass Volksabstimmungen nicht automatisch dazu führen, unsinnige politische Projekte wie Stuttgart 21 auf Eis zu legen.

    Schwamm drüber.

    Das dreigliedrige Schulsystem wird vermutlich nicht von einer Volksabstimmung abgeschafft werden (siehe Hamburg). Von wem dann?

    Von wem wurde denn der Atom-Ausstieg beschlossen? Vom Volk?

  • KN
    Klaus Neumann

    Zitat taz: "Auf die Kostenkarte können die S21-Gegner trotz der bitteren Niederlage bei der Volksabstimmung weiter setzen. Immerhin nähern sich die Kosten bereits jetzt der Obergrenze."

    Bei den Kosten finde ich noch nicht einmal die Einbindung der Gäubahn, weil diese mit Sicherheit den Deckel jetzt schon "lupfen" würde. Es gibt noch nicht einmal eine Planung der Bahn dazu. Beides wird dann wohl "vergessen". Wie die Tatsache, dass einem erst lange nach dem PFB einfällt, dass das Wasser besser auf 12 Meter beim Bau des Bahnhoftroges abgesenkt wird, weil man nicht im Wasser buddeln will. Nun, auch Kretschmann muss lernen, dass er zahlen muss, wenn er die Bahn im Hause hat. Und zwar unbegrenzt. Bahnsprecher Dietrich bedeutete es ja gestern mit der Berufung auf die Sprechklausel. Und die war von Anfang an auch so von der CDU-geführten Landesregierung angedacht, dass auf Zuruf der Bahn das Geld fliesst. Ausserdem will es die Mehrheit der Bevölkerung, die mit ihrem mehrheitlichen Nein klar gesagt hat, dass sie von Bahn und Politik betrogen werden will. Denn das war ja die nach dem Betrug am Bundestag durch die Absprache von Land und Bahn zu den realen Kosten der NBS Wendlingen Ulm, ohne die S21 im Nirgendwo endet, die Frage dieser Volksabstimmung: wollt ihr von Bahn und Politik weiterhin betrogen sein, dann stimmt mit Nein für die Finanzierung des Projektes. Wenn nicht, dann mit Ja für den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung. Was also gibt es auszusetzen? Nichts. Vox populi vox Rindvieh. Und dann feiert man sich noch. Ich komme mir lngsam vor wie einer auf der Franklin Expedition, der nicht aus den mit Blei versiegelten Dosen gegessen hat.

  • L
    Lilo

    Kann man eigentlich gegen die Parkschützer "Nothilfe" zugunsten der Bahn ausüben und ggf. den Schlosspark auf private Initiative räumen?

  • S
    Sabine

    Die Volksabstimmung wäre dann überflüssig gewesen, hätte die schwarz-gelbe Regierung ihren Job in den 90ern anständig gemacht, das Projekt ordentlich durchgerechnet und eine offene und ehrliche Diskussion in den Medien geführt. Statt dessen hat sie bewußt getrickst und schön gerechnet um den Bürgern das Projekt schmackhaft zu machen.

    Ist nicht passiert, die "Mehrheit" will dies (von 48% wollen dies 58% oder so ähnlich), das muss man akzeptieren. Allerdings darf dann auch keiner jammern in dieser Republik, wenn es mehr kostet. Bislang blieb noch kein Eigenheim im Kostenrahmen, von Großprojekten erst gar nicht zu reden. Und wer dies leugnet ist ein Idiot!

  • A
    Andreas

    Ich habe damals die Schlichtung mit Heiner Geissler verfolgt, auf Phoenix.

     

    In den normalen Nachrichten verwässert, konnte man nur auf Phoenix sehen, was da abging.

     

    Die hessische Umweltministerin hat einen Zug am Bahnsteig aufzeichnen lassen, bei dem das Einsteigen sehr schnell ging. Leider fuhr der Zug zwar zur Rush-Hour, aber es war ein in Stuttgart einfahrender Zug. Bei der Gegenrichtung dauerte es bis zu 4 Minuten, bis alle eingestiegen sind. Allein das verkraftet S21 schon gar nicht.

     

    Weietrhin wurde von den Gegnern ein schlüssiges und sehr gut durchdachtes Konzept "ohne Tieferlegung" präsentiert, welches eine bessere Leistung hat als S21.

     

    Doch warum wurde das nicht realisiert? Vielleicht wegen der Tatsache, dass ein CDU-Abgeordneter auch Bauunternehmer ist und die Tunnelbohrmaschinen anbietet?

     

    Oder doch nur, weil in den Medien alles verwässert wurde und das Volk einfach dämlich ist?

     

    Wohl beides. Unbegreiflich dabei die Rolle der SPD, die aber sowieso schon unwählbar ist.

  • M
    Marco

    @Josef Riga ("Ich hoffe das die ParkschützerInnen jetzt endlich mit der Randale aufhören werden!")

     

    Da hoffen Sie umsonst, die Parkschützer haben gestern abend schon live im SWR Fernsehen angekündigt S21 bis zum Schluß mit allen Mittel zu bekämpfen.

  • S
    Stoffel

    @ akbwl:

    "Schließlich wissen diese, dass das Projekt über 3 Legilaturperioden hinweg vorbereitet, demokratisch und juristisch legitimiert wurde. Die Volksabstimmung war überflüssig wie ein Kropf."

     

    Die Volksabstimmung war alles andere als überflüssig. Sie hat ein Großprojekt, das ausreichend vielen Menschen im Bundesland Kopfzerbrechen bereitet aus vielerlei Gründen eine finale Legitimation gebracht. Dass es soweit kommen musste, lag an einer hoffentlich überkommenen Art und Weise der mauscheligen Planung und Was-kostet-die-Welt-Mentalität, die typisch ist für die alte CDU- und Bahn-Welt. Künftig müssen sich alle, die eine derart einschneidende Veränderung planen, im Vorfeld um Transparenz auf allen Ebenen sowie um rechtzeitiges Einbeziehen aller Betroffenen bemühen.

    In richtung Wutbürger muss ich aber auch sagen: Jetzt gilt es. Das Referendum ist gekommen, es hat die notwendige Anzahl an Teilnehmern erbracht, das Ergebnis ist legitim und voll rechtskräftig. Jetzt noch vor dem HBF zu stehen, heißt starrsinnig zu sein oder nix besseres zu tun zu haben.

  • A
    akbwl

    @ Florian S: Auf 2 Gegner kommen 3 Befürworter, 58,8 % sind immerhin 40% mehr als 42,2 %. Was wollen Sie das nächste Mal? eine 3/4-Mehrheit?

    Und die Politik hat unter den Demokraten nicht an Vetrauen verloren. Schließlich wissen diese, dass das Projekt über 3 Legilaturperioden hinweg vorbereitet, demokratisch und juristisch legitimiert wurde. Die Volksabstimmung war überflüssig wie ein Kropf.

    Wie heißt es so schön? Wer schreit, hat unrecht. Und vor dem Bahnhof wurde in den letzten beiden Jahren viel geschrien.

  • JR
    Josef Riga

    Glückwunsch an die BürgerInnen die sich für Stuttgart 21 entschieden haben! Ich hoffe das die ParkschützerInnen jetzt endlich mit der Randale aufhören werden!

  • MM
    Martin M

    Irgendwie verstehe ich den praktischen Nutzen der Kostendeckelung nicht. Alle wissen, dass sie höher ausfallen werden, wie bei jedem Bauprojekt. Will man schlecht und billig? Zu Ende gebaut wird wohl hoffentlich auf jeden Fall. Gut ist allerdings, dass das Projekt wohl weiterhin kritisch begleitet wird.

  • W
    WeGe

    Es wird sicher nicht die jetzige Landesregierung sein, die von den Kostenerhöhungen betroffen sein wird. Und wenn, wird gut daran tun sich dem demokratischen Mehrheitsentscheid unterzuordenen und konstruktiv an dem Ziel dem Bahnhof unter die Erde zu verlagern, mitzuarbeiten.

     

    Das Abstimmungsergebnis zeigt auch, dass es nicht das S21-Thema war, das die Grünen in den Sattel gehoben hat sondern der "Austieg aus dem Austieg" und vielleicht auch noch die Arroganz und Selbstgefälligkeit des Herrn Mappus. Nachdem de Austieg besiegelt scheint, ist es doch fraglich ob im Ländle mit einer weiteren Legislaturperiode von Rot/Grüne zu rechnen ist.

  • W
    Wutbürger

    Ah, eine neue Karte auf die man setzen kann wenn man demokratisch nicht weiterkommt. Verstehe. Die Regierung lönnte auch eine "Studie" erstellen lassen die die Kosten hochrechnet. Oder Schlägertrupps "dulden" die für Tatsachen sorgen. Der "Wutbürger" sagt es uns ganz klar. Das Thema ist nicht erledigt. Die taz spricht lieber vom Castor. Da ist der Wutbürger gerade unterwegs und hat keine Zeit für Stuttgart21. Irgendwie ist die Demokratie auch scheiße. Es sollte so sein, daß der Gegner "keine Plattform für seine Hetze bekommt". Hetze ist vielfältig und was hetze ist bestimmt der Wutbürger. Zum Beispiel ist hetze Bahnhöfe zu bauen wenn der Wutbürger es nicht will. Versammlungen wegprügeln, Gegner bedrohen, medial für eine Meinung sorgen. Dann abstimmen in Form von a)Sind sie gegen den bahnhof b)Haben die Grünen recht und sollen den Bahnhof stoppen c) Der Bahnhof soll nicht gebaut werden.

    So funktioniert Demokratie und man muß danach nicht auf irgendwelche Karten setzen.

  • V
    vic

    Hoffentlich hält sich die Landesregierung daran, höhere Kosten nicht mitzutragen. Denn die werden ganz sicher um einiges höher liegen als verkündet.

  • FS
    Florian S.

    "Den Gegnern von Stuttgart 21 bleibt angesichts des deutlichen Abstimmungsergebnisses nichts anderes übrig, als ihre Niederlage anzuerkennen. 58,8 Prozent..."

     

    Also sooo deutlich ist ein Ergebnis von 58,8 Prozent in meinen Augen nicht... nur knapp 9 Prozent mehr - bei welcher Wahlbeteiligung nochmal? 48 Prozent? Ich bin mir sicher, dass dieses Votum in anderer Konstellation auch durchaus hätte anders laufen können, bei diesen Zahlen sollte man daher mit Attributen wie "deutlich" eher vorsichtig sein...