Kommentar Verzögerungen bei Erbschaftsteuer: Der Präsident ist der Dumme
Noch ist offen, ob Bundespräsident Horst Köhler die Neuregelung der Erbschaftsteuer unterschreiben wird. Schuld sind die Koalitionsparteien. Sie haben Köhler zappeln lassen.
Es klingt nach präsidialer Zickigkeit. Brav haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz über die neue Erbschaftsteuer Anfang Dezember beschlossen, damit es pünktlich zum Jahreswechsel in Kraft treten kann. Dann ließ die Bundeskanzlerin die Paragrafen elf Tage lang in ihrem Amt verstauben, bevor sie das Konvolut eine Woche vor Weihnachten an Horst Köhler weitergab. Nun ist der Präsident eingeschnappt und lässt die Öffentlichkeit zappeln: Wird er noch bis Silvester unterschreiben, oder wird er nicht?
Das erscheint albern, schließlich kannte Köhler den Entwurf und hätte über dessen Verfassungsmäßigkeit auch ohne das Originaldokument nachsinnen können. Doch ist sein Unmut in der Sache verständlich. Die terminliche Verzögerung ist nur eine neue Merkwürdigkeit in einem Gesetzgebungsverfahren, das schon lange ohne jeden politischen und juristischen Ernst betrieben wurde.
Nötig wurde die Neuregelung durch ein Urteil der Verfassungsrichter, das die Gleichbehandlung von Geld- und Immobilienvermögen verlangte. Über dieses Gebot hat sich die große Koalition aber großzügig hinweggesetzt. Während Ehepartner und Kinder künftig auch eine millionenschwere 200-Quadratmeter-Villa am Starnberger See steuerfrei erben sollen, ist eine solch feinsinnige Differenzierung bei Geldvermögen nicht vorgesehen. Hat der Bewohner auf dem Nachbargrundstück seine Villa nur gemietet und sein Vermögen stattdessen auf die Bank gebracht, werden schon bei einem Bruchteil des Betrages Steuern fällig.
Das alles wissen CDU und SPD. Es ist ihnen allerdings egal, weil sie mit dem Kompromiss die CSU befrieden und das Thema über den Termin der nächsten Bundestagswahl retten können. Verwerfen die Verfassungsrichter in ferner Zukunft das Gesetz erneut, geht eben alles von vorne los. Der Dumme ist der Präsident, der seine Unterschrift für eine solche Scheinlösung hergibt - und am Ende wohl hergeben muss. Nicht nur, weil sonst die Steuer ab Januar womöglich gar nicht mehr erhoben wird. Sondern auch, weil die Letztentscheidung strittiger Verfassungsfragen nicht ihm obliegt, sondern dem Karlsruher Gericht.
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