Kommentar Verkürzung Wehrpflicht: Augen zu und durch
Die Debatte über die Wehrdienstreform, die Guttenberg angeblich anstoßen will, soll aktuell bloß verschleiern, dass sein Ministerium keinen überzeugenden Entwurf hat.
N icht alles ist falsch, nur weil es von der FDP kommt. So haben die Liberalen vorgeschlagen, die auf sechs Monate zu verkürzende Wehrpflicht in ein Praktikum umzuwandeln. Nach der Grundausbildung, in der das Uniformtragen, Grüßen und Soldatsein generell geübt wird, sollen die Rekruten sich entscheiden können, wo in der Truppe sie mitarbeiten wollen. Die Union ist selbstverständlich dagegen, und alle Entscheider wissen und sagen: Das klappt nie.
Der Großapparat Bundeswehr ist nicht darauf eingerichtet, auf die Selbstverwirklichungswünsche seiner Jüngsten einzugehen. Doch bringt der FDP-Vorschlag ja - etwas ironisch - nur auf den Punkt, was die Wehrdienstreformer halblaut auch eingestehen: Die Bundeswehr hat ein Riesenproblem, fähigen Nachwuchs zu gewinnen.
Die Wehrpflicht scheint ihr als geeignetes Mittel, den einen oder anderen Gymnasiasten noch in den Betrieb zu schleusen. Die FDP folgert daraus, dass dann auch die Wehrpflicht den Anforderungen der jungen Männer nach beruflicher Orientierung angepasst werden muss.
Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Inlandsressort der taz, dort besonders zuständig für Verteidigungspolitik.
Genau das hat nun Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht vor. Dass er so tut, als sei das Gesetz zur Wehrpflichtverkürzung noch mit den Bundestagsfraktionen - der Opposition gar! - abzustimmen, ändert nichts daran, dass der Plan längst klar ist: Der "Gammeldienst", der sich der Grundausbildung anschließt, wird halbiert, aber drum nicht sinnvoller.
Die Debatte über die Wehrdienstreform, die Guttenberg angeblich anstoßen will, soll aktuell bloß verschleiern, dass sein Ministerium keinen überzeugenden Entwurf hat. Da dieser aber bis zum Sommer Gesetz werden soll, wird es auch keine Diskussion mehr geben. Bloß eine weitere, undurchdachte und unnütze schwarzgelbe Augen-zu-und-durch-Aktion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen