Kommentar Verfassungsschutz: Ein Fall für Bürgerrechtler
Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der geplanten Verschärfung ist es in der Politik bisher erstaunlich ruhig. Die Opposition taucht ab, die FDP schweigt.
D ie Änderung klingt minimal, die Auswirkungen wären es nicht. Versteckt im umfangreichen Jahressteuergesetz und unter dem Vorwand, die Finanzbehörden zu entlasten, will die Regierung die Macht des Verfassungsschutzes gegenüber politischen Verbänden gewaltig ausweiten: Eine Einstufung als extremistisch soll künftig ohne weitere Prüfung zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen, was wegen des Wegfalls der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen die betroffenen Organisationen existenziell bedrohen kann.
Ausgerechnet in Zeiten, da die Verfassungsschützer wegen ihres Versagens beim Nazi-Terror massiv in der Kritik stehen, würde ihre Rolle aufgewertet: Die Berichte der Behörden, deren Zustandekommen öffentlich kaum überprüft werden kann, würden künftig nicht nur als Entscheidungsgrundlage dienen, sondern unmittelbare rechtliche Folgen haben.
Und auch wenn aktuell wohl nur wenige Organisationen von der Änderung betroffen wären: Das könnte sich ändern. Der Verdacht, dass über eine Nennung im Verfassungsschutzbericht Organisationen gezielt finanziell geschädigt werden sollen, würde in Zukunft immer mitschwingen und die Vorbehalte gegen den Geheimdienst weiter steigern.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der geplanten Verschärfung ist es in der Politik bisher erstaunlich ruhig. Die Opposition, die einer ersten Einschränkung der Gemeinnützigkeit vor drei Jahren noch zustimmte, sieht die nun geplante Verschärfung zwar kritisch; die Regierungskoaliton aber taucht ab: Das Justizministerium, das sich sonst gern als Verteidiger der Freiheitsrechte sieht, lehnt einen Kommentar zu den Plänen des Finanzministeriums bisher ab. Auch die FDP-Fraktion schweigt. Wenn es dort noch Bürgerrechtler gibt, die eine Machtausweitung des Verfassungsschutzes kritisch sehen, sollten sie allmählich aufwachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken