Kommentar Verfassungsschutz in Schulen: Gegengift statt Prävention

Den Einsatz der Abteilung Horch und Guck beim Zurückgewinnen verlorener Schäfchen für die Demokratie kann man kurios finden. Dramatisch ist dagegen Schünemanns eindimensionales Verständnis von politischer Bildung, Extremismus ließe sich quasi durch Injektion eines demokratischen Gegengiftes bei Gefährdeten bekämpfen.

Bisher ist der Verfassungsschutz mit mehr oder weniger unsittlichen finanziellen Angeboten an die Bürger herangetreten. Jetzt hat er also auch politische Bildung im Portfolio. Die Geheimdienstler werden sich eine neue Ansprache ausdenken müssen: Keine diskreten Treffen im Zwielicht mehr, sondern eher Open House bei Kaffee und Kuchen.

Kann das funktionieren? Die neuen Angebote zur Abwehr von Extremismus richten sich ja an Menschen an den Rändern des demokratischen Spektrums, normalerweise Objekt der Beobachtung. Ihr Vertrauen in die Behörde ist entsprechend schwach. Da kann man schon mal die Frage nach Bock und Gärtner stellen, nicht nur wegen der Geschichte vom Celler Loch bis zu agents provocateurs in der NPD, in der sich die Geheimdienstler nicht immer als Musterdemokraten erwiesen haben.

Den Einsatz der Abteilung Horch und Guck beim Zurückgewinnen verlorener Schäfchen für die Demokratie kann man kurios finden. Dramatisch ist dagegen Schünemanns eindimensionales Verständnis von politischer Bildung, Extremismus ließe sich quasi durch Injektion eines demokratischen Gegengiftes bei Gefährdeten bekämpfen. Erfolgreiche politische Bildung wirkt präventiv - indem sie demokratische Errungenschaften erfahrbar macht. Dafür braucht es viel Geld, langen Atem und spezialisierte Pädagogen - in Niedersachsen alles gestrichen.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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