Kommentar Verfahren gegen Fazil Say: Was für eine lächerliche Anklage
Fazil Say ist zwar ein arroganter Kotzbrocken, doch die Anklage gegen ihn ist schlichtweg lächerlich. Sie sollte so bald wie möglich vom Tisch.
D er Pianist Fazil Say ist ein begnadeter Musiker – und ein arroganter Kotzbrocken. Wann immer er sich öffentlich äußert, schwingt viel von jener Herablassung mit, mit der das kemalistische Establishment der Türkei seit Jahrzehnten über breite Bevölkerungsschichten und deren nichtwestlichen Geschmack gespottet hat.
Dass ein türkisches Gericht gegen Fazil Say jetzt aufgrund eines sarkastischen Twitter-Kommentars über einen Muezzin ein Verfahren wegen angeblicher „Verletzung religiöser Gefühle“ eröffnet hat, ist aber schlichtweg lächerlich. Zu hoffen ist, dass die peinliche Anklage, die den Starpianisten nun in den Rang eines Helden der Meinungsfreiheit katapultiert hat, so bald wie möglich vom Tisch kommt.
Allein, dass es zu dieser Anklage kommen konnte, ist ein Zeichen dafür, dass sich unter der Regierung des Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan am autoritären Geist der türkischen Justiz bislang wenig geändert hat. Schlimmer noch: Die AKP legt gegenüber ihren Kritikern längst die gleichen autoritären Methoden an den Tag, wie sie einst ihre Gegner pflegten. Erdogan selbst musste 1998 für mehrere Monate ins Gefängnis, weil er ein Gedicht rezitiert hatte.
ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Dass, wie im Fall Fazil Say, nun zunehmend die „Verletzung religiöser Gefühle“ ins Feld geführt wird, um politische Gegner mundtot zu machen, sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass ätzende Kritik an der Bigotterie religiöser Autoritäten in der Türkei durchaus Tradition hat.
Der eigentliche Kampf um die Meinungsfreiheit in der Türkei tobt daher nicht bei Religionsthemen, sondern auf anderen Gebieten: vor allem bei der Frage der türkischen Minderheiten, etwa dem ungelösten Kurdenproblem, oder bei der historischen Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern.
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