Kommentar Urteil zur Stiefkindadoption: Grüße aus Bilderbuchhausen
Deutschland hinkt der Realität und der EU hinterher: Unverheiratete dürfen immer noch nicht die Kinder ihrer Lebenspartner adoptieren.
![Zwei Erwachsene, halten ein Kind an den Händen Zwei Erwachsene, halten ein Kind an den Händen](https://taz.de/picture/1839423/14/485aab330e613283a1f46a95b1ee4a8b_edited_64622955_d38109f678.jpeg)
G ehen Sie doch mal im Kopf durch, wie viele Familien Sie kennen, die dem Muster „Vater-Mutter-Kind-in-Ewigkeit-Amen“ entsprechen. Also Hetero-Paare, die in jungen Jahren heiraten, Kinder bekommen und zusammen alt werden. Die Bilderbücher, die Sie ihren Kindern vorlesen, zählen dabei übrigens nicht.
Wechselnde Beziehungen, neue Partner, Stiefpapas und -mamas, Ko-Elternschaft. Alles längst praktizierte Realität. Politik und Recht richten sich unterdessen weiter nach Familie Mustermann aus Bilderbuchhausen. Und dementsprechend hat der BGH am Montag auch entschieden: Ein unverheirateter Mann kann nicht die Kinder seiner Lebensgefährtin adoptieren. Denn wer nicht verheiratet ist, führe keine „stabile Beziehung“.
Heißt für Stiefpapa: kein Recht, Entschuldigungszettel zu schreiben, keine Auskunftsrechte im Krankenhaus oder bei der Polizei. Heißt für das Kind: keine finanzielle Absicherung, falls Stiefpapa stirbt und es kein Testament gibt.
„Na, dann sollen sie eben heiraten“, wird der eine oder die andere jetzt rufen. „Geht doch schnell und ist nicht mehr so symbolisch aufgeladen wie früher, und man muss die Dinge ja nicht immer weiter verkomplizieren!“
Und was, wenn Stiefpapa schon verheiratet ist? Zum Beispiel mit seinem Lebenspartner, der keine Kinder möchte, weswegen Stiefpapa sich mit Mama zusammen um Maxi kümmert.
Das können Sie sich nicht vorstellen? In den Niederlanden kann man das. Dort dürfen Kinder künftig sogar bis zu vier juristische Eltern haben. Deutschland bleibt derweil das letzte westeuropäische Land, das noch nicht einmal die Ehe gleichgestellt hat. Eine Gesellschaft, so fantasievoll wie eine Mikrowellenbedienungsanleitung.
„Familie ist da, wo Menschen partnerschaftlich füreinander Verantwortung übernehmen“ – das steht in keinem Hippie-Pamphlet, sondern ist Leitsatz von Familienministerin Manuela Schwesig. Zeit, das auch rechtliche Realität werden zu lassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris