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Der Teminus Dönermord hat der Regierung gute Dienste geleistet- indem er half, aus Opfern Täter zu machen- und ungute Verstrickungen zwischen Naziszene und Behörden unter dem Teppich zu halten.
Dönermorde ist zurecht Unwort.
"Gutmensch" ist mein Unwort auf Lebenszeit.
Vielleicht auch "LOL", ich überlege noch.
Also ich muss sagen, dass mich diese alljährliche "Unwort des Jahres"-Show immer wieder bzw. immer noch irritiert. Ich hoffe, dass den Leuten zumindest klar ist, dass durch das Definieren eines Wortes als "schlecht" - und genau das wird durch die Wahl und Vorsilbe "Un-" vorgenommen - ein nicht unerheblicher Machtanspruch geltend gemacht wird. Den Menschen wird auf einer moralischen Ebene vorgeschrieben, was sie in der Öffentlichkeit sagen dürfen und was nicht. Im letzteren Fall bekommen andere die Legitimation, den Verwender des Wortes moralisch angreifen zu dürfen. Für mich bewegt sich das Ganze zwischen dem lächerlichen, aus der Kindheit bekannten "Das-sagt-man-aber-nicht!" und einem orwell'schen Versuch der Schaffung von "Newspeak" (der gute George hätte sich sicher allein über "Un"wort gefreut). Nicht nur die Gedanken sind frei, sondern zunächst auch ihre Äußerung, wenn bestimmte Grenzen, die von der Mehrheit als für das gesellschaftliche Zusammenleben als unerlässlich erachtet werden (etwa Ehrschutz oder Jugendschutz - obwohl auch hier sicher eine Diskussion interessant wäre), nicht überschritten sind. Letzteres ist aber bei noch keinem der sog. Unworte der Fall gewesen.
Vor der Entdeckung der NSU, wird rückblickend die Ignoranz gegenüber der bloßen Möglichkeit rassistischer Morde deutlich!: Fremdenfeindlichkeit oder Naziterror wurden trotz ausschweifender behördlicher und medialer Spekulationen nie als Motiv in Betracht gezogen.
Stattdessen wurde in der BRD routinierter (Alltags-)Rassismus betrieben: mit stereotypischer Klassifikation ("Dönermorde") wurde pietätlos und in rassistischer Manier mit einer "SoKo Bosporus" nach einer "düstere(n) Parallelwelt" im "kriminellen Mileu" der MigrantInnen gesucht. (Spiegel)
Der Terror militanter Nazis ist in der BRD keine neue Entwicklung und wird bleiben, auch und/oder gerade weil die staatliche Aufklärung lückenhaft sein wird. Es ist also zu befürchen, dass die Verstrickungen der VS-Behörden in die NSU-Aktivitäten nie aufgeklärt werden. Sehr bald schon wird das Thema "Terror des NSU“ unter den Teppich gekehrt und kaum mehr eine Meldung in den bürgerlichen Medien wert sein.
Die Wahl des Begriffs "Dönermord" als Unwort des Jahres, ist daher in diesem Kontext zu sehen und unbedingt zu begrüßen!
Über Queere, die sich mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen solidarisieren, ergießt sich Häme. Doch jede Person sollte ihre Meinung äußern dürfen.
Kommentar Unwort des Jahres: Alles wieder gut
Der Begriff "Döner-Morde" dümpelte über Jahre hinweg weitgehend unbemerkt durch den Wortschatz wie ein Exkrementbröckchen durchs Kinderschwimmbecken.
Die "Döner-Morde" also haben, nicht ganz unerwartet, das Rennen gemacht: Das Unwort des Jahres 2011 ist tatsächlich "alternativlos" (Unwort des Jahres 2010).
Viel erstaunlicher ist in diesem Zusammenhang, dass die zutiefst rassistische Bezeichnung für die zutiefst rassistische Mordserie der NSU, die immerhin bereits im Jahr 2000 (Unwort des Jahres: "National befreite Zone") begann, über Jahre hinweg weitgehend unbemerkt durch den Wortschatz dümpelte wie ein Exkrementbröckchen durchs Kinderschwimmbecken. Per se schien der Ausdruck "Döner-Morde" den meisten folglich gar kein Unwort zu sein.
Darauf weist auch die Begründung der Jury hin, dass nämlich im Falle der "Döner-Morde" die "politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt oder willentlich ignoriert wurde". Die politische Dimension des Begriffs an sich offenbar ebenfalls – nicht zuletzt von der Jury, aber die hat es ja auch schwer, muss sie doch stets zwischen hochbrisanten Unwörtern wie "Ich-AG" (2002) und "Herdprämie" (2007) abwägen.
Der Autor
ULI HANNEMANN ist Kolumnist und Autor der taz.
Auf einmal aber klagt sie an, das Jahressiegerwort habe die öffentliche Wahrnehmung der Morde durch "die folkloristisch stereotype Etikettierung" auf unangemessene Weise geprägt. Das Wort ist schuld, die Nazis haben Deutschland 1933 überraschend ins Unglück geführt und der Pelz soll beim Waschen nicht nass gemacht werden.
Haben wir das folglich richtig verstanden: Wären die "Döner-Morde" ,richtige' Dönermorde gewesen, sprich Streitigkeiten zwischen mafiösen vorderasiatischen Imbissverkäufern, in deren Wertesystem (so kennt man sie!) die Nichtbeachtung roter Ampeln und das Abknallen der Konkurrenz gleichermaßen niedrige Bedeutung haben, dann wäre das Unwort allenfalls ein Unwörtchen geblieben, aber niemals das große Superduperunwort des Jahres 2011 geworden? Und ist entsprechend nur ein von Nazis ermordeter Türke ein guter Türke? Auf Rang zwei landete übrigens der "Gutmensch".
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Kommentar von
Uli Hannemann