Kommentar Umweltpolitik in Berlin: Parlament braucht Selbstbewusstsein
Es ist ein Armutszeugnis für die rot-rote Koalition, dass sie sich an ihre eigenen Umweltbeschlüsse nicht hält und sich mit formalen Begründungen aus der Verantwortung stiehlt.
Wenn sich der Senat an die Umweltschutzbeschlüsse des Abgeordnetenhauses nicht halten will, dann ist das formaljuristisch wohl nicht zu beanstanden. Aber politisch ist es ein Armutszeugnis für die rot-rote Koalition. Denn dem Wähler, der auf der Zuschauertribüne des Abgeordnetenhauses sitzt und von dort aus seine Volksvertreter beobachtet, dürfte der Unterschied zwischen einem Beschluss und einem Gesetz herzlich egal sein. Ihm ist wichtig, dass Versprechen auch gehalten werden. Und darauf hat er auch einen Anspruch - keinen vor Gericht einklagbaren, aber einen moralischen.
Der Vorgang zeigt auch anschaulich, welches Schattendasein die Umweltpolitiker von SPD und Linken führen. Zwar setzen sie sich aus Überzeugung und mit Engagement für die grüne Sache ein - aber ihre Stimme verhallt innerhalb der Koalition. Dann wäre es ehrlicher von Rot-Rot, die eigenen Umweltpolitiker von Anfang an zurückzupfeifen. Verlogen ist es dagegen, zuerst ein Umweltschutzprogramm zu beschließen und es anschließend in einer Reihe von Punkten nicht umzusetzen.
Ein Parlament, das seine Selbstachtung bewahren will, muss dafür sorgen, dass die Regierung die Beschlüsse des Parlaments auch beachtet. Dafür kann die Opposition sorgen, indem sie das Thema auf die Tagesordnung setzt. Dafür können aber auch die Regierungsfraktionen selbst sorgen, indem sie politischen Druck auf ihren Senat ausüben. Das musste bereits Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) erleben. Auch der wollte bei der Ausschreibung der Stromlieferungen die beschlossenen Ökokriterien nicht einhalten. Dann kam Kritik von allen Seiten, bis Sarrazin einlenkte. Das war ein guter Tag für die Umwelt - und für den Parlamentarismus in Berlin.
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