Kommentar USA und Netzneutralität: Das nächste Monopol
Die USA werden am Donnerstag die Gleichbehandlung von Daten im Netz abschaffen. Das führt zu mehr Marktmacht für die Großen.
W enn die USA am Donnerstag die Spielregeln für das Internet verändern, dann wird das die Kräfteverhältnisse im Netz fundamental verändern. Dass die US-Behörde FCC am Donnerstag beschließt, die Netzneutralität abzuschaffen, also den Grundsatz, alle Datenpakete im Internet gleichzubehandeln, wird weitreichende Auswirkungen haben.
Schon jetzt ist die Situation problematisch: Im Internet – eigentlich ein Raum, in dem grenzenlose Konkurrenz möglich ist, schließlich können alle ihre Dienste, Produkte oder Ideen nahezu weltweit anbieten – gibt es die Tendenz zur Monopolbildung. Ob Suchmaschine oder soziales Netzwerk, Messaging-Dienst oder Versandhändler – in vielen Bereichen dominiert ein großer Anbieter jeweils einen Markt. Und wo er es nicht tut, etwa in China, gibt es andere Quasi-Monopolisten.
Nun sind die Ursachen einigermaßen gut erforscht, eine von ihnen, der Netzwerkeffekt, wonach Nutzer gern dahin gehen, wo auch alle anderen sind, hat es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Es ist schwer, hier gegenzusteuern, ebenso, wie transnationale Konzerne einzuschränken. Doch ohne Netzneutralität wird die Tendenz zur Marktdominanz weiter zunehmen – denn Google und Facebook können es sich leisten, mit den Telekommunikationskonzernen zu kooperieren. Für kleine Anbieter werden Aufwand und Kosten in der Regel zu hoch sein.
Und das führt zu einer zweiten Ebene von Marktkonzentration, die dann bevorsteht: Nehmen wir einen eben gegründeten Streamingdienst, der nischige Podcasts anbietet. Mit eingeschränkter Netzneutralität wird er zunehmend dazu angehalten, mit den Telekommunikationskonzernen zu kooperieren. Etwa, damit auch er einen speziellen Tarif kriegt, bei dem die Podcasts nicht auf das Datenvolumen der Nutzer angerechnet werden. Diese Kooperation wird umso aufwendiger, je mehr Telekommunikationskonzernen sich der Streamingdienst anpassen muss.
Was tut er also? Beschränkt sich pro Markt auf die großen Konzerne. Die damit mehr Kooperationspartner anziehen, damit wieder mehr Kunden und – siehe da: mehr Marktmacht für die eh schon Großen. Dieses Problem betrifft nicht nur die USA: In Europa sind die Regeln für Netzneutralität heute schon eher lückenhaft. Große Anbieter wie die Telekom oder Vodafone nutzen das bereits aus.
Im Gegensatz zum Netzwerkeffekt und dem komplizierten Umgang mit transnationalen Konzernen ließe sich hier leicht gegensteuern. Mit strengen Regeln für die Erhaltung der Netzneutralität, zum Vorteil der Nutzer und der Vielfalt. Es sei denn, die Politik steht auf Monopole.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe