Kommentar UN-Weltbevölkerungsbericht: Unser Globus, eure Kinder
In patriarchalen Kulturen reicht es nicht, Pillen und Kondome zu verteilen. Es geht nicht um, Familienplanung, es geht um Kulturwandel.
M it Zahlen lässt sich wunderbar Politik machen. Zum Beispiel so: Internationale Klimaziele können nur erreicht werden, wenn das rasche Anwachsen der Weltbevölkerung eingedämmt wird. Würde es bis 2050 acht Milliarden Menschen auf der Erde geben statt neun, wie bislang prognostiziert, dann würden ein bis zwei Milliarden Tonnen weniger CO2 freigesetzt. So lautet das Fazit des Weltbevölkerungsberichts 2009, den der UN-Bevölkerungsfonds und die Deutsche Stiftung für Weltbevölkerung am Mittwoch vorstellten. Eine gezielte Familienplanung für die sogenannte Dritte Welt müsse her, so die Organisatoren. Denn dort sei das Bevölkerungswachstum am größten.
Unabhängig davon, dass es zynisch ist, wenn Industrienationen Entwicklungsstaaten Verhaltensnormen vorschreiben, um den Globus zu retten, ist vor allem zu befürchten, dass Maßnahmen zur Familienplanung einzig Frauen ansprechen. Ganz falsch ist das nicht, Frauen wollen und sollen über ihren Körper und ihre Zukunft selbst bestimmen.
In patriarchalen Kulturen reicht es jedoch nicht, Pillen und Kondome zu verteilen. Jährlich werden in Entwicklungsländern 76 Millionen Frauen ungewollt schwanger, aber das nicht, weil sie ahnungslos wären, wie Verhütung funktioniert, sondern weil Männer diese ablehnen.
ist Redakteurin für Geschlechterpolitik.
Hunderttausende Frauen sterben an unprofessionell vorgenommenen Abtreibungen, die Zahl der HIV-Infektionen steigt und die der Vergewaltigungen sinkt nicht. Es geht nicht allein um Familienplanung, es geht um Geschlechtergerechtigkeit, es geht um einen Kulturwandel.
Und noch eine Statistik wurde am Mittwoch bekannt: Die Deutschen werden immer älter und immer weniger. Der Grund: Geburtenrückgang und bessere Gesundheit. Dass beide Berichte am selben Tag vorgestellt wurden, ist Zufall. Die Politik dahinter nicht.
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