Kommentar U-Boot-Lieferung: Wo Grass recht hat
Dass Deutschland U-Boote an Israel liefert, die atomar aufgerüstet werden können, hat bislang für wenig Entrüstung gesorgt. Ganz im Gegensatz zu Grass' missglücktem Gedicht.
D eutschland ist ein merkwürdiges Land. Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach Hebron reist und sich dort, angesichts der Entrechtung der Palästinenser, an die Apartheid in Südafrika erinnert fühlt, bricht ein Sturm der Empörung über ihn hinein. Aber dass Israels Regierung den Siedlungsbau ungehindert vorantreibt und damit einer Zweistaatenlösung die Grundlage raubt, wird von den meisten deutschen Politikern und Publizisten achselzuckend hingenommen. Auch, dass Deutschland U-Boote an Israel liefert, die atomar aufgerüstet werden können, hat bislang für wenig Entrüstung gesorgt.
Aber wenn ein Schriftsteller wie Günter Grass in einem missglückten Gedicht seiner Sorge Ausdruck verleiht, dass dies zu einer Eskalation im Konflikt mit dem Iran führen könnte, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.
Dem Spiegel ist es hoch anzurechnen, dass er versucht, die Debatte wieder in rationale Bahnen zu lenken. Zwar brachte die Recherche wenig Überraschendes zutage: Dass sich die deutschen U-Boote für Nuklearraketen eignen, war ein offenes Geheimnis. Doch den Fragen, die mit diesen Waffenlieferungen verbunden sind, weicht die Bundesregierung aus. Falsch ist aber nicht nur, dass sie den U-Boot-Deal nicht dazu genutzt hat, um von der israelischen Regierung eine Gegenleistung zu fordern – etwa eine Rückkehr zu Friedensverhandlungen mit den Palästinensern und eine Lockerung des Besatzungsregimes.
Schwerer wiegt, dass Deutschland als drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt offenbar kaum Rücksichten darauf nimmt, welche Folgen diese Politik hat. Denn Kriegsgerät gehört nicht in Krisengebiete exportiert: Das gilt für die Ausfuhr deutscher Panzer nach Saudi-Arabien wie für die Lieferung von atomwaffenfähigen U-Booten an Israel, dessen Regierung dem Iran derzeit offen mit einem Angriff auf dessen Atomanlagen droht: diesen Punkt zu kritisieren, da hat Grass schlichtweg recht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel