Kommentar Tumulte in Hamburg-Altona: Polizei ist zur Konfliktpartei geworden
Die Darstellung von Polizei und Medien von einem Mob Jugendlicher ist nicht nur falsch - sie provoziert am Ende genau das.
D ie Auseinandersetzungen der vergangenen Tage zwischen Jugendlichen und der Polizei in Hamburg-Altona zeigen, dass sich hier weitgehend unbemerkt ein Konflikt hochgeschaukelt hat, bei dem es nicht mehr nur um die Frage geht, ob ein paar Jungen etwas auf dem Kerbholz haben.
An die Öffentlichkeit gekommen ist der Konflikt erst durch die Eskalation am vergangenen Donnerstag und die Nachwehen in den folgenden Nächten. Die Polizei befürchtet, dass sie die Kontrolle im Stadtteil verliert, verschärft die Präsenz und stellt alle Jugendlichen unter Generalverdacht, die in ihr Täterprofil passen: jung, männlich, Migrationshintergrund. Die Jugendlichen fühlen sich zu Recht diskriminiert.
Die Polizei ist in diesem Konflikt also selbst zu einer Konfliktpartei geworden, zieht die Aggressionen der betroffenen Jungen auf sich – und reagiert entsprechend darauf wieder mit mehr Kontrollen. Die Jugendlichen wiederum sind nach den verstärkten Polizeikontrollen misstrauisch geworden. Sie fühlen sich inzwischen von den Polizeibeamten verfolgt. Auch gegenüber Medienvertretern sind sie skeptisch, weil sie sich benutzt fühlen – für reißerische Schlagzeilen.
Doch in diesem Konflikt lässt sich Gut und Böse nicht so leicht ausmachen. Freitagnacht waren es die Eltern der Jugendlichen, die auf die Polizei zugegangen sind, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Sie forderten ein Gespräch mit einem Verantwortlichen, was ihnen zuvor verweigert wurde.
Sie wollten wissen, warum die Polizei Donnerstagnacht Pfefferspray und Knüppel gegen die Jugendlichen eingesetzt hat. Nachdem Videos vom Geschehen im Internet verbreitet wurden, hat sich die Polizei in den darauf folgenden Nächten weitgehend zurückgehalten. Hoffentlich bleibt das so.
Die Darstellung, dass in Altona ein wildgewordener Mob Jugendlicher unterwegs ist, ist nicht nur einfach falsch. Im schlimmsten Fall provoziert sie am Ende genau das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht