Bernd Pickert über Trumps „State of the Union“
: Braucht kein Mensch

US-Präsident Donald Trump ist kein guter Redner. Er ist ein effektiver Produzent von Soundbites, kleinen provokativen Versatzstücken, über die sich seine Fans freuen und seine Gegner ärgern. Eine komplette Trump-Rede bei einer Wahlveranstaltung ist niemals kohärent, sie hat keinen Anfang und kein Ende, er stolpert durch seine Themen, lässt sich tragen von Lügen, Beschimpfungen und unausgegorenen Gedanken.

Bei der jährlichen Rede „zur Lage der Union“ geht das so nicht. Selbst Trump braucht ein Skript, muss ablesen und staatsmännisch wirken. Das ist so gar nicht seins. Selbst gute Redner scheitern mitunter an den Erwartungen, die allein das Setting weckt: Beste Fernsehzeit, alle Sender übertragen live, der gesamte Kongress muss zuhören. Wenn ein Präsident – bekanntermaßen waren das bislang immer nur Männer – also Bedeutendes zu sagen hat, dann ist diese Rede die beste Gelegenheit.

Hat Trump aber nicht. Obwohl er, wie die US-Medien sofort errechneten, mit knapp eineinhalb Stunden eine der längsten „State of the Union“-Reden aller Zeiten hielt, bleibt nur eine einzige harte Nachricht übrig: Trumps geplantes zweites Gipfeltreffen mit Nord­koreas Diktatur Kim Jong Un am 27. Februar in Vietnam.

Ansonsten: hohle Aufrufe zur nationalen Einheit, wie sie ein Zufalls-Redegenerator hätte erzeugen können, gemischt mit Trumps altbekannten Standardpositionen. Das überrascht zwar nach zwei Jahren Trump-Regierung niemanden mehr. Schrecklich anzusehen ist allerdings, wie er es trotz dieses Irrsinns geschafft hat, die republikanische Partei geschlossen hinter sich zu bekommen. Nicht durch seine holprigen Reden, sondern durch deren Komplizenschaft verändert Trump kontinuierlich die USA und letztlich die Welt.

Die Tradition der jährlichen Rede zur Lage der Nation beschwört einen Geist von überparteilicher Beflissenheit beim Dienst am Volk, der längst der Vergangenheit angehört. Bei Trump hätte es eigentlich „Rede zu meiner Befindlichkeit und der Lage meiner Präsidentschaft“ heißen müssen. Und so etwas braucht kein Mensch.

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