Kommentar Trumps Außenpolitik: Woran ist die Welt?
Mit Donald Trump gibt es viele vermeintliche Klarheiten – jeden Tag eine andere. Im Kalten Krieg kannte jeder die Spielregeln. Heute gibt es keine mehr.
S elten gab es so viel Verunsicherung in der internationalen Diplomatie. Niemand weiß, wohin die USA unter Donald Trump außenpolitisch steuern. Die neue Regierung in Washington kann unmöglich all die widersprüchlichen Dinge wörtlich meinen, die ihre Mitglieder vom Präsidenten abwärts dazu sagen und twittern. Ob Trump sich selber darüber überhaupt vertiefte Gedanken macht, ist genauso ein Rätsel wie die Frage, welche Gültigkeit Aussagen anderer US-Regierungsmitglieder eigentlich haben. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz werden die Teilnehmer bei jeder Rede nebenbei auf ihr Smartphone starren müssen, wo @realdonaldtrump den Weltgeist spielt.
Vor diesem Hintergrund sehen sich auch alle jene in Moskau, Peking und sonst wo vorläufig düpiert, die dachten, mit einem Big Man im Weißen Haus könnte man endlich unbekümmert klare Verhältnisse auf dem Globus schaffen, von Mann zu Mann sozusagen. Es gibt einfach keine Klarheit. Genauer: Es gibt so viele vermeintliche Klarheiten, jeden Tag eine andere, dass niemand mehr weiß, woran die Welt ist.
Das ist eine brandgefährliche Situation. Aber nicht, weil jetzt plötzlich jemand mit Säbeln rasseln würde. Sondern weil völlig unklar ist, welcher diplomatische, militärische oder politische Akt eigentlich einen Akt der Eskalation darstellt und welcher nicht. Im Kalten Krieg kannte jeder die Spielregeln. Sie waren nicht schön, aber nachvollziehbar. Heute scheint es Regeln gar nicht mehr zu geben. Das Spielbrett ist verschwunden.
Mit Barack Obama war klar: Ein Regelbruch im internationalen System hat keine Folgen. Das ermutigte andere, aggressivere Player – eine unschöne Situation, wie man in Syrien und in der Ukraine sah, aber keine grundsätzlich unlösbare. Mit Donald Trump aber ist nicht einmal klar, ob ein Regelbruch Folgen nach sich ziehen könnte oder nicht, weil die Existenz von Regeln an sich infrage steht. Das verwirrt nur. Es ist kein Beitrag zum Weltfrieden, wenn Russen, Iraner, Nordkoreaner oder Chinesen nicht mehr wissen, ob sie diesen gerade tatsächlich gefährden. Bald wissen es vielleicht auch die US-Amerikaner nicht mehr. Das Risiko, aus Versehen eine globale Krise heraufzubeschwören, ist damit größer denn je. Nicht sehen zu können, welcher Weg zum Krieg führt, schafft mehr Unsicherheit, als sich am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden entscheiden zu müssen.
Die bestehenden internationalen Ordnungssysteme sind dieser Situation nicht gewachsen. Die Vereinten Nationen sind zu allen weltpolitischen Streitfragen strukturell gelähmt und befinden sich unter ihrem neuen Generalsekretär Guterres auf dem Weg zurück in alte Bequemlichkeiten. Die Europäische Union ist zwischen Brexit und Eurokrise in der eigenen Selbstfindung gefangen. Die Nato ist momentan mehr die Bühne der Verunsicherung als der Ort ihrer Überwindung.
Vielleicht haben ja die Optimisten recht, die meinen, Trump interessiere sich für die Welt so wenig, dass er in der US-Außenpolitik alles weiterlaufen lässt wie bisher, nur bisweilen unsinnig kommentiert. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn eine solche Haltung als optimistisch gelten muss. Denn diejenigen, die noch skrupelloser regieren als der US-Präsident – und dazu gehören die meisten Machthaber der Welt –, hätten gerade dann immer weniger Gründe, Zurückhaltung und Mäßigung walten zu lassen.
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