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Kommentar Trittin und KünastRetro-schicke Doppelspitze

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Sie sollen die Grünen in die Wahl 2009 führen. Trittin und Künast sind zwar alte Gesichter, doch die richtigen. Allerdings sollten sie jungen Grünen eine Chance zur Profilierung lassen.

Renate Künast und Jürgen Trittin wollen sich die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl teilen. Das ist eine gute Entscheidung.

Die zuletzt einzige realistische Alternative wäre die Alleinkandidatur der Fraktionschefin gewesen. Das aber hätte Künast nicht gestemmt. Das hätte kein Grüner gestemmt, auch Joschka Fischer nicht. Denn die schwerste Aufgabe des grünen Spitzenpersonals lautet im Wahlkampf - also ab sofort - nicht mehr: "Wer gibt den nächsten Joschka?", sondern: "Wie rudert man gleichzeitig in Richtung Rot-Rot-Grün und in Richtung Schwarz-Grün?" Dazu aber braucht es vier Arme. Mindestens.

Darum ist es richtig, dass Künast den Vizefraktionschef als zweites Aushängeschild an ihrer Seite akzeptiert. Trittin wird als - vielleicht mit Ausnahme von Bärbel Höhn - einziger Obergrüner von der Basis für links und vom rechtsbürgerlichen Establishment für regierungstauglich gehalten. Mehr noch als Künast kann er so wenigstens personell den grünen Hauptwiderspruch zwischen Inhalt und Strategie überbrücken. Denn einerseits ist das grüne Programm seit Beginn der Oppositionszeit linker geworden, andererseits drängt die Parteiführung zu einer Rechtskoalition.

Der größte Makel der Neuaufstellung ist, dass sie eine alte ist: Die beiden ehemaligen Minister werden als zukünftige Minister in Stellung gebracht. Weder Künast noch Trittin ist körperlich zu alt für Politik, doch verkörpern sie beide die rot-grüne Zeit wie sonst niemand von den noch Aktiven. Das ist, vorsichtig ausgedrückt, keine große Zierde - selbst wenn man die Leistung der beiden beim Umwelt- und Verbraucherschutz nicht schmälern will.

Das Kandidatenduo stellt dar, dass es den Grünen bislang nicht gelungen ist, neue Talente und Gesichter nach vorn zu befördern. Dabei haben sie relativ viele davon. Doch das Gezerre in der dicht bevölkerten Führung bei wachsendem Gegensatz zwischen inhaltlichem und strategischem Programm hat niemandem die Gelegenheit zum Glänzen gelassen.

Deshalb müssen die alten Rot-Grünen jetzt höchstselbst zu neuen Alles-ist-möglich-Grünen werden. Besser aber als Künast und Trittin hätte dies aus der alten Riege keiner gekonnt.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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