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Kommentar TransplantationsskandalEinzeltätertheorie? Pffft!

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Die Theorie vom Einzeltäter ist widerlegt: Auch in München hat ein Arzt Patientendaten manipuliert. Seine Fälschung war wohl Kollegen bekannt.

Ärzte verschließen nach einer Nierentransplantation die Wunde. Bild: dpa

D ie Geschichte war zu perfekt, um wahr zu sein: Ein einzelner Arzt sollte mehr als 40-mal an den Unikliniken Göttingen und Regensburg die Daten seiner Patienten vorsätzlich so gefälscht haben, dass diese bevorzugt ein Spenderorgan bekamen. Ein einzelner Arzt? In mehr als 40 Fällen? Unbehelligt über Jahre? Und der Rest der Republik sauber?

Je mehr die Geschichte stank, desto vehementer wurde sie verfochten. Von Klinikdirektoren, Transplantationschirurgen und Ärztefunktionären, die um ihre Zentren, ihre Jobs und ihr Prestige bangten. Von Aufsichtsbehörden, die nicht zugeben mochten, vor kriminellen Machenschaften der Götter in Weiß weggesehen zu haben. Und von Politikern, die einen Rückgang der Organspenden fürchteten. Passenderweise war der Bösewicht dann auch noch ein Arzt arabischer Herkunft, Spitzname „Teppichhändler“. Da schwang die nötige Prise Rassismus mit, damit man sich so richtig echauffieren konnte.

Diese Theorie vom Einzeltäter ist nun widerlegt: Auch in München hat ein Arzt Patientendaten manipuliert. Und: Seine Fälschung war offenbar mehreren Kollegen seit Jahren bekannt.

Bild: Wolfgang Borrs
Heike Haarhoff

ist gesundheitspolitische Redakteurin der taz.

Der Ruf nach schärferer und staatlicher Kontrolle ist richtig, wird aber kaum helfen. Denn wer soll die Datenflut begutachten? Patientenakten sind in den meisten Häusern nicht elektronisch, sondern lose und schlampig geführt. Es gibt keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Medizinskandale, manche Ankläger wissen – bei allem Respekt – nicht, wie man Kreatininwert schreibt, geschweige denn, was er aussagt. Ärzte wiederum sind mit der Kontrolle überfordert: Erstens haben sie – Stichwort Personalknappheit – keine Zeit, zweitens riskieren sie, als Nestbeschmutzer zu enden. Wird doch Fehlverhalten bekannt, werden kaum Konsequenzen gezogen.

Der Transplantationsskandal hat, keine Frage, seit München eine neue Qualität. Politiker, Aufsichtsbehörden und Ärzte dürfen sich dem Systemwechsel nicht mehr verschließen. Sie müssen erkennen, dass Fehlverhalten mit Geldbußen oder Zentrumsschließungen bestraft gehört. Sie müssen einsehen, dass 47 Transplantationszentren in Deutschland zu viele sind für die wenigen Organe, die hierzulande für Transplantationen zur Verfügung stehen. Und sie müssen begreifen, dass der wirtschaftliche Druck aufgrund der großen Konkurrenz Manipulationen zwangsläufig macht.

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Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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9 Kommentare

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  • I
    Irina

    ein skandal. JA mein mann hat 2lebertransplantationen hintersich hat schwere hirnschäden bekommen,ist seit dem behindert und braucht aber nochmals eine Transplantation weil diese wieder versagt!!! Aber warum diese hirnschäden?? Und nur wegen diesem Skandal,müssen wir leiden!!! WEIL : Kein Arzt in Deuntschland traut sich ein Risiko einzugehen. Wir waren in vier Krankenhäuser alle haben abgesagt. Was nun? er ist 28 jahre jung und wir haben einen sohn mit nur 1 1/2 jahre. aber ICH gebe nicht auf!! ich fahre ins Ausland!!!was anderes bleibt mir nicht übrich! da man mir sagte,dass kein arzt in deutschland ihn operrieren wird!!!!!!!!!!!!!!!

  • I
    inside

    Wolfgang hat völlig recht. Die bisher bekannte Fälle lassen ein System erkennen und decken sich mit Vermutungen die ein insider der TX-Szene eben so hat. Es lassen sich quasi "Schulen" erkennen, wobei Nachahmen nicht so schwierig ist. Wenn man wirklich INteresse an Aufklärung und Aufarbeitung hat müssen alle TX-Zentren auf links gedreht werden. Wenn man etwas weiter in die Vergangenheit blickt bleibt vom Nymbus mancher Ikone allerdings nicht viel übrig. Will man das? Hilft es weiter? Die aktuelle Misere ist allerdings auch das Ergebnis dieses Stils.....ME muß alles auf den Tisch und ein Neuanfang ist geboten...

  • I
    inside

    Wolfgang hatt völlig recht. Die bisher bekannte Fälle lassen ein System erkennen und decken sich mit Vermutungen die ein insider der TX-Szene eben so hat. Es lassen sich quasi "Schulen" erkennen, wobei Nachahmen nicht so schwierig ist. Wenn man wirklich INteresse an Aufklärung und Aufarbeitung hat müssen alle TX-Zentren auf links gedreht werden. Wenn man etwas weiter in die Vergangenheit blicktbleibt vom Nymbus mancher Ikone allerdings nicht viel übrig. Will man das? Hilfts weiter? Die aktuelle Misere ist allerdings auch das Ergebnis dieses Stils.....ME muß alles auf den Tisch und ein Neuanfang ist geboten...

  • PJ
    Petra Japes

    Als Betroffene(8Jahre warte ich auf Niere )kann ich aus meiner Erfahrung sagen, daß der Betrug bezgl der Organe nur die eine Seite ist.

    Sie glauben garnicht, mit welcher Anmaßung und Respektlosigkeit sich die Zentren den wartenden Patienten gegenüber verhalten.

    Da werden z.b.risikoreiche Operationen verlangt, deren Zweckmäßigkeit stark in Zweifel zu ziehen ist.

    Und wenn man sich weigert, droht man mit Streichung von der Liste.

    Ärzte kriegen glänzende Augen,wenn man mit Überweisung vom Diazentrum kommt. Alle wollen mitverdienen am Dialysepatienten.

    Ob es das sinnlose Ziehen der Weisheitszähne ist.

    .alles wird gemacht. Angeblich on demand des Transplantationszentrums.

    Ich bin nach 8Jahren erschüttert über dieses System und restlos bedient.

  • HH
    heike haarhoff

    Sehr geehrter Herr Wolfgang, bitte melden Sie sich doch bei uns unter elektrotaz@taz.de

  • W
    Wolfgang

    Nett geschrieben, aber Sie haben das Problem nicht verstanden. Was glauben Sie wohl woher die Mediale Aufmerksamkeit jetzt kommt. 2006 in Regensburg, war nicht nur intern vielen bekannt - und nichts passierte daraufhin wirklich. Der einzige Grund warum Sie jetzt überhaupt darüber schreiben "dürfen" ist ein Kampf um Karrieren und lukrative Patient. Handfestere Interessen. Es ist oftmals eben doch die Story hinter der Story. Wenn die Sie z.B: den Zeitpunkt der "Aufdeckung" in Göttingen nehmen müsste Ihnen eigentlich etwas auffallen. Und wenn Sie das verstanden haben kommen Sie vielleicht drauf' was in Bayern das Problem ist. Oftmals muss man die Story rückwärts denken und sich anschauen, wer die Profiteure sind. Glauben Sie eigentlich im ernst, dass Göttingen, Regensburg und die TU alle sind. Wo ist eigentlich Ihr Ruf nach umfassenden Untersuchungen an allen Tx Zentren? Erst wenn wir wissen, wie groß das Ausmaß tatsächlich ist können wir Forderungen für die Zukunft erheben. Lesen Sie sich einfach einmal die Protokolle der Prüfungsk. der vergangenen Jahre (BÄK) durch, dann wissen Sie vielleicht in welche Richtung das alles geht. Ich frage nur warum Sie überhaupt die verantwortlichen so mit Samthandschuhen anfassen. Der Herr Gradinger, z.B. hat wochenlang nur das zugegeben was nicht mehr abzustreiten war. Insgesamt journalistisch zumindest ein wenig dürftig, oder?

  • M
    Maki

    Eigentlich geht es doch darum das Menschen in serbien und dem kosovo (Kinder, Erwachsene) entführt wurden ihnen die Organe entnommen wurden und dann gut situierte westeuropäern und amerikanern eingesetzt wurden. Dazu hört und liest man gernichts mehr. Aber auch dies beweist nur die scheinheiligkeit der westlichen welt. Die Nato schuf ja einst vor nicht all zu langer zeit die wiege der Menschenrechte und Demokratie mitten in europa (das Kosovo), da passen illegaler organhandel usw. nicht so gut iins Bild.

     

    Ach wenn ich so zurückdenke wird mir einiges klar...2007 am Flugahfen in Zagreb hab ich mich schwer gewundert über das ältere deutsch, münchener schickeria pärchen welches auf dem weg nach pristina war. ja ein schelm der böses denkt.

     

    Aber klar bei der Taz gehts natürlich darum wer bei der verteilung der illegalen organen übergangen wurde.

     

    Ich bin mir sicher das dieses kommentar nicht veröffentlich wird ist ja auch ein unangenehmes thema besser man bleibt weg davon, man kann besser schlafen am ende des tages, ist ja auch was schönes!

  • BG
    Bernd Goldammer

    Ein erstklassiger Artikel. Er geht den Problemen auf den Grund, nennt Ross und Reiter und zeigt die negativen Perspektiven auf. Fakt ist:Politiker wollen nichts ändern. Reiche soll sich ihre Spenderorgane kaufen können. Darum geht es und deshalb habe ich meine Erklärung zur Organspende wieder zurückgenommen. Der deutsche Staat und auch Europa sind zu korrupt um gegebene Gleichheitsversprechen bei Organspende einhalten zu wollen. Unter diesen Umständen kann ich meine Organe nicht zur Verfügung stellen.

  • A
    anke

    Politiker, Aufsichtsbehörden und Ärzte "dürfen sich […] nicht mehr verschließen". Sie "müssen erkennen" und "einsehen", behauptet Heike Haarhoff. Na, da bin ich ja mal gespannt! Ich kann nämlich nicht erkennen, wer oder was sie (be-)zwingen sollte, die Politiker, Aufsichtsbehörden und Ärzte. Die nicht vorhandene Schwerpunktstaatsanwaltschaft? Die auf der Warteliste verstorbenen Patienten? Frau Haarhoff persönlich? Oder vielleicht jene Moral, die Helmut Kohl gefordert hat, bevor er seine Geldkoffer versteckte?