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Kommentar Tod Bin LadensWas von Osama bin Laden bleibt

Kommentar von Christian Semler

Der Kampf um die Demokratie in den arabischen Staaten ist unvereinbar mit dem Absolutheitsanspruch der al-Qaida-Anhänger. Dafür verdienen die Aufständischen Unterstützung.

Bestimmen vielleicht zukünftig das Bild vom Nahen Osten: Menschen in Bahrain demonstrieren für Demokratie und Menschenrechte. Bild: dapd

G ewiss bedeutet der Tod von Osama bin Laden nicht das Ende des terroristischen Netzwerks al-Qaida. Dessen Struktur kennt keine Hierarchie und keine zentrale Befehlsgewalt. Terroristische Aktionen wurden, wie die Beispiele von Tunis bis Bali zeigen, in Eigenverantwortung der Terrorgruppen durchgeführt.

Wohl aber vereinigten sich in der Person bin Ladens in besonders wirkungsvoller Weise die zentralen Botschaften des radikalen Islamismus: der Kampf gegen die westlichen "Kreuzfahrer", ihre Sittenverderbtheit und ihre die Gemeinschaft der Glaubenden zerstörenden Ideologien.

Der militante Antijudaismus und die damit verbundenen Verschwörungstheorien, schließlich die Forderung nach einer die islamische Welt umspannenden theokratischen Herrschaftsform: All diese Elemente werden nach dem Tod Osama bin Ladens in der muslimischen Welt weiter existieren wie auch der Al-Qaida-Führer selbst als symbolische Leitfigur. Aber diese Symbolgestalt wird rasch ihre Wirkungskraft einbüßen.

Bild: borrs

CHRISTIAN SEMLER, 72, arbeitet seit 1989 für die taz. Für seine Unterstützung der demokratischen Bewegungen im Ostblock erhielt er 2010 von Polens Präsident Komorowski die Dankesmedaille des Europäischen Zentrums der Solidarnosc.

Der Grund hierfür liegt in der Initiative und der Kraft der demokratischen Bewegungen, die heute die Herrschaft der Autokraten in der arabischen Welt bedrohen. Nicht weil die Autokraten an der Macht dem westlichen Einfluss unterlagen, nicht weil sie sich als Verräter des Islams erwiesen hätten, richtet sich jetzt der Zorn der Völker gegen sie. Sondern weil sie allesamt unterdrückerische und korrupte Ausbeuter waren und sind.

Gerade die Fähigkeit der Aufständischen zur zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation brachte sie in den denkbar schärfsten Gegensatz zur gewalttätigen und autoritären Botschaft der Islamisten. Und der Kampf um die Demokratie und um demokratische Grundrechte wie Meinungs- und Organisationsfreiheit ist unvereinbar mit dem Absolutheitsanspruch der Al-Qaida-Anhänger.

Zu den prägenden Erlebnissen in der tunesischen wie der ägyptischen Revolution gehörte die gleichberechtigte Mitwirkung der Frauen, was jedem Al-Qaida-Ideologen ein Gräuel sein muss. In dem Maße, wie die demokratischen Kräfte sich konsolidieren, werden sie auch selbstbewusst, weil demokratisch legitimiert, gegenüber dem "Westen" auftreten und der Anti-Kreuzfahrer-Demagogie den Boden entziehen. Unterstützung der arabischen Demokraten - nicht die schlechteste Konsequenz, die man nach dem Tod Osama bin Ladens ziehen sollte.

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5 Kommentare

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  • N
    Niedrahos

    Was für ein Blödsinn! Warum ist denn der Orient in Aufruhr? Aus Sehnsucht nach westlicher Demokratie? Jetzt ist der ehemalige CIA-Freund bin Laden hingerichtet worden. Na und? Was ändert das? Die Flüchtlinge aus dem Maghreb bekommen grade eine Lehrstunde in westlichem Rassismus. Und die Lage Israels wird mit jeder Natobombe instabiler. Glauben diese debilen Natoführer, dass das der Freiheit dient, wenn man Enkelkinder von Ghadafi umbringt?

    Im Orient gab und gibt es eine riesige Bevölkerungsexplosion. Wenn man die sozialen Probleme nicht lösen hilft, dann werden diese jungen Menschen an die Türen Europas klopfen. Aber nicht mit Palmwedeln in den Händen.

  • V
    vantast

    Mit Goethes "Faust" könnte man sagen:

    "DEN Teufel sind sie los, die Teufel sind geblieben!"

    Wahrscheinlich haben Bushs Lügen und Terrorkriege mehr Tote gefordert, als der eben von uns gegangene Meister.

    Selbst unsere Regierung arbeitet mit den Teufeln zusammen, man lese nur das Buch von Markus Frenzel:Leichen im Keller.

  • Q
    quark

    Lieber Herr Kommentator.

     

    Der Bush-Freund und Vertraute, von US-Behörden rekrutierte Osama bin Laden ist leider bereits seit 10 Jahren tot.

     

    Haben Sie das übersehen?

     

    http://www.foxnews.com/story/0,2933,41576,00.html

  • R
    Renitent

    Was ist denn bitte eine "Verschwörungstheorie"?

     

    Wenn die Gegner des eigenen Denkens Thesen aufstellen, dann ist das eine negativ bewertete Verschwörungstheorie.

     

    Was ist im Gegensatz dazu mit den "Verschwörungstheorien" ,welche die die Westmächte hegen und pflegen? Dass es zum Beispiel "islamistischen Terror" gäbe?

    Dies zweifeln wir nicht an, dies ist dann keine "Verschwörungsheorie", obwohl sich hier der Westen gegen (imaginäre?) "Terroristen" verschwört.

     

    AQ findet seine Wurzeln nachweislich durch Rekrutierung seitens der CIA vor langer Zeit, ist also ein hausgemachtes Problem.

     

    Cui bono?

     

    Aber sowas ist dann "Verschwörungstheorie". Da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln.

     

    Wir glauben, was wir wollen. Als ob die Mainstreammedien immer objektive Wahrheiten verbreiten würden... nein, Information gibt es nur für einen Zweck.

     

    Oder?

  • D
    d.p.

    Gerechtigkeit bedeutet laut Obama also Rache!? Das ist ja ganz toll. Und Frau Merkel stelle sich am besten zu den ganzen degenerierten Amerikanern, die grölend und tanzend vor dem Weißen Haus einen Mord feiern.

     

    Welch perfide Propagandashow! Und alle Mainstream-Medien übernehmen völlig unkritisch die US-Version und fragen nicht nach.

     

    Wer glaubt denn bitte noch, dass der mächtigste Militärapparat der Welt 10 Jahre benötigt um eine einzelne Person zu finden, die, wenn man sich mal genauer informieren würde, offiziell niemals wegen des 11. Septembers gesucht wurde (Quelle FBI). War dieses hochstilisierte Feindbild nicht vielmehr unentbehrlich dafür, alle militärischen Aktionen der letzten Jahre zu legitimieren?

     

    Ich vermisse die Frage nach einem echten Beweis, zu erbringen von einer unabhängigen Instanz. So riecht es für mich nach billiger Propaganda. Zu dem Schluss müsste jeder kommen der sich die simple Frage stellt: Wem nützt es?