Kommentar Ticket-Monopol: Limitiert, nur für kurze Zeit erhältlich
Künstliche Engpässe und Zusatzgebühren treiben die Preise von Konzerttickets nach oben. Niemand schaut den Ticket-Monopolisten auf die Finger.
A ls die britische Punkband Wire zum ersten Mal in Westdeutschland auftrat, im November 1978, waren die Tickets bei ihrem Konzert im Düsseldorfer „Ratinger Hof“ mit einem Stempel bedruckte Bierdeckel. Der Eintrittspreis betrug einheitlich 7 DM, Vorverkauf gab es keinen, aber all jene, die die Band sehen wollten, kamen auch ins Konzert.
Das erzählen die Punks von einst heute ihren Enkeln, den Musikfans, die im Internetzeitalter aufwachsen, wo jeder Untergrundhype minutiös viral geplant ist. Auch wer das Konzert seiner Lieblingskünstler miterleben will, muss lange im Voraus tätig werden, um Tickets zu ergattern, sonst droht Gefahr, dass das Konzert ausverkauft ist.
So wird es uns im Zeitalter künstlicher Verknappung pausenlos suggeriert. Limitierte Tickets, nur für kurze Zeit erhältlich. Das Prinzip der Abendkasse ist praktisch außer Kraft gesetzt. So war auch die Deutschlandtour für den US-Soulsänger D’Angelo im Voraus ausverkauft. Die Konzerttickets für D’Angelo kosten zwischen 50 und 60 Euro. Das ist noch vergleichsweise moderat.
Neben den Eintrittspreisen, die auch deswegen teuer sind, weil die Künstler vom Tonträgerverkauf allein nicht mehr leben können, sieht man sich in diesem Vorgang mit einer Reihe von Zusatzgebühren konfrontiert: Vorverkaufsgebühr, Buchungsabgabe, selbst der Ausdruck des Tickets am Drucker kostet extra, zum Teil werden auch noch Kreditkartengebühren berechnet. Wer diktiert diese Preise?
In Deutschland kontrolliert den Onlineticketverkauf der Veranstaltungsmulti Eventim. In allen Großstädten arbeitet er mit lokalen Veranstaltern und Auftrittsorten zusammen, und er hat sich zahlreiche Tochterunternehmen (wie Touragenturen und Hallen) einverleibt.
Man fühlt sich bei Eventim an die unangenehmsten Auswüchse von Geschäftemacherei erinnert; bisher gibt es niemanden, der diesem Monopolisten etwas entgegensetzt oder sein Geschäftsgebaren genauer unter die Lupe nimmt. Vorbild für Eventim ist die US-amerikanische Firma Livenation, die im angloamerikanischen Raum Festivals und Tourneen organisiert, Ticketverkäufe abwickelt und längst auch Immobilien der Unterhaltungsgastronomie besitzt.
Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, Preisabsprachen bei Ticketing und Wettbewerbsverzerrung durch Zusatzgebühren zu unterbinden. Auch im Internetzeitalter müssen Menschen, die sich entscheiden, spontan zu einem Konzert zu gehen, die Möglichkeit haben, an der Abendkasse rechtmäßig Karten zu erwerben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin