Kommentar Terrorwarnungen: Ein gefährlicher Aufruf
Innenminister Thomas de Maizière muss dringend konkretisieren, was er mit seinem Aufruf an die Bürger bezüglich möglicher Terroranschläge genau meint.
E s gehört zu den Aufgaben eines Innenministers, die Bevölkerung auf drohende Gefahren hinzuweisen. Und es muss auch nicht automatisch taktisch motiviert sein, wenn ein parteiintern zunehmend als zu weich kritisierter Unionsminister vor möglichen Terroranschlägen warnt.
Doch was man Thomas de Maizière (CDU) nicht durchgehen lassen darf, ist sein damit verbundener Aufruf an die Bürger. Sie sollen "alles, was ihnen verdächtig erscheint", der Polizei melden, sagt der Bundesinnenminister - ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, was genau er damit meint. Soll man nun Ausschau halten nach herrenlosem Gepäck? Auf fremde Autokennzeichen im Dorf achten? Den Sitznachbarn in der U-Bahn mustern? Merkwürdige Videos bei YouTube melden?
Ein derart unkonkreter Aufruf, "alles Verdächtige" der Polizei mitzuteilen, ist im derzeitigen islamfeindlichen Klima gefährlich. Man kann sich schon vorstellen, wer da schnell zum Verdächtigen wird: der bärtige Muslim an der Straßenecke ("Den hab ich hier noch nie gesehen!"). Die voll verschleierte Frau im Bus ("Ihr Gewand hat sich so seltsam ausgebeult!"). Der Tourist aus Ägypten, der arabische Sätze ins Telefon murmelt ("Ich glaube, der hat ,Dschihad' gesagt!").
Wolf Schmidt ist Inlandsredakteur der taz.
Vor zwei Jahren, wenige Monate nach der Festnahme der Sauerlandgruppe, stürmte die Polizei in dem 200-Einwohner-Ort Hamwiede nach Hinweisen auf zwei angeblich verdächtige Personen eine Ferienwohnung - wie sich herausstellte, verbrachte ein muslimisches Paar dort seine Flitterwochen.
Thomas de Maizière muss dringend öffentlich erklären, wo genau er Gefahren ausmacht. Und worauf konkret das Volk denn nun achten soll. Sonst schürt er genau das, was er doch so dringend vermeiden wollte: ein Klima der Angst und Verdächtigung.
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