Kommentar Terrorismus-Verdacht: Überwachen und denunzieren
Spitzeltätigkeit entspringt eher dem Niedersachsen-Ethos, als dem Welt-Ethos. Uwe Schünemann muss die Kunde von der denunziatorischen Lehrerin mit Stolz erfüllen.
W enn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass verkündetes Welt-Ethos und gelebte Niedertracht einander nicht ausschließen - an der Gesamtschule Garbsen wurde er erbracht. Nein, nein, sicher nicht, weil eine Lehrerin dort eine Klausur mit mangelhaft bewertet, deren Verfasser sich erdreistet, eine andere Meinung als sie zu vertreten. So etwas gehört ja seit jeher zur immanenten Boshaftigkeiten des Schulbetriebs.
Auch nicht, weil besagte Pädagogin da gleich an Terrorismus denkt: Muss sie ja fast. Schließlich ist der junge Mann Muslim - und wer könnte von einer simplen Werte-und-Normen-Lehrerin verlangen, sich gesamtgesellschaftlicher Paranoia zu entziehen? Aber dass sie zum Mittel anonymer Denunziation greift - ist bemerkenswert.
Bloß: Wie kommts? An Hans Küngs Welt-Ethos lässt sich ja viel bemängeln, aber Spitzeltätigkeit begünstigt es eigentlich nicht. Das entspringt eher dem Niedersachsen-Ethos. Dort arbeitet seit Amtsantritt Innenminister Uwe Schünemann (CDU) daran, nachrichtendienstliche Methoden zu popularisieren und überwachungsstaatliche Verhältnisse herzustellen. Ihn muss die Kunde von der denunziatorischen Ethik-Lehrerin mit Stolz erfüllen, besagt sie doch: Das von ihm geschürte Klima des Verdachts breitet sich aus, die Saat geht auf. Und das Schönste: Ausgerechnet bei ausgewiesenen MultiplikatorInnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste