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Kommentar Tempelhof-VolksentscheidDemokratische Intelligenz

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Die Bürger haben für die Schließung des Berliner Flughafens Tempelhof gestimmt. Auch dem letzten Berliner war klar, dass Tempelhof zu Machtzwecken missbraucht wurde.

B oulevardpresse, großes Geld und CDU-FDP-Opposition im Verein haben es nicht vermocht, den Berliner Volksentscheid über den Flughafen Tempelhof in die gewünschte krachende Niederlage für den rot-roten Senat zu verwandeln.

Beispiellos waren in der Hauptstadt der Einsatz von Meinungsmache auf Titelblättern, teuren Kampagnenhelfern, politischen Schwergewichten bis zur Bundeskanzlerin. Doch mehr als 530.000 Wählerinnen und Wähler ließen sich nicht an die Urnen bewegen, um mit "Ja" für die Weiternutzung des Flughafens zu stimmen. Alle anderen stimmten entweder dagegen oder blieben zu Hause beziehungsweise in der Sonne, was ebenfalls als "Nein" gewertet werden darf. Denn die Schließung des Cityflughafens zugunsten des geplanten Riesen-Airports südlich von Berlin ist ja längst geplant und abgemacht.

Alle Parteien reklamieren nun für sich, gewonnen zu haben. Doch haben sie eigentlich alle verloren. Denn am Ende war wirklich auch dem letzten Berliner klar, dass die Causa Tempelhof zu Machtzwecken missbraucht wurde. Gewonnen hat nun der Volksentscheid als solcher. Denn er hat ein Ergebnis hervorgebracht, das dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entsprechen dürfte - ohne dass sich behaupten ließe, dieser sei mit Schlagzeilen bestochen oder mit Geld gekauft.

Noch besser: Gerade weil auch SPD und PDS sich erst arrogant zurücklehnten - der Volksentscheid interessiert uns nicht, die Beschlüsse sind gefasst - mussten sie angesichts der anschwellenden Kampagne am Ende doch noch ganz viel Sinnvolles versprechen. So bekommt Berlin nun auch noch einen neuen Park und neue Wohnungen, während die historische Großimmobilie erhalten bleibt.

Dieser Volksentscheid bestätigt die Vermutung der Direkte-Demokratie-Fans, wonach Bürgerbeteiligung immer eine Form der demokratischen Intelligenz hervorbringt. Vielleicht aber lag es doch bloß an Friedbert Pflüger von der CDU. Wo der Berliner Oppositionsführer sich einklinkt, finden sich stets sofort Mehrheiten - auf der anderen Seite.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

3 Kommentare

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  • K
    Klugscheißer

    @Martin Wilke:

     

    Neinnein, umgekehrt wird ein Schuh draus: Auch bei Wahlen sollte ein Mindestquorum gelten, damit sie gültig ist. Und wenn eine Mehrheit von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch macht, geht (z.B. bei der Direktwahl eines Bürgermeisters) das Wahlrecht eben auf den Stadtrat über. Entsprechend könnte man bei einer Landtagswahl o.ä. eben geschäftsführend weitermachen lassen (Hessen lässt grüßen). Denkt an meine Worte, wenn bei den nächsten Landtagswahlen (nicht nur im Osten) die Wahlbeteiligung unter 40% gesunken ist!

  • MW
    Martin Wilke

    In dem Artikel heißt es: "Alle anderen stimmten entweder dagegen oder blieben zu Hause beziehungsweise in der Sonne, was ebenfalls als "Nein" gewertet werden darf."

     

    Dem möchte ich vehement widersprechen. Wir nicht zur Abstimmung hingeht, darf nicht dem Nein-Lager zugeschlagen werden, sondern kann allenfalls als Enthaltung gewertet werden.

     

    Andernfalls könnte man auch über die letzte Abgeordnetnehauswahl sagen: Die Mehrheit der Bürger hat für CDU, FDP oder Grüne gestimmt oder ist zuhause geblieben.

     

    Wie bei Wahlen sollte auch bei Volksentscheiden gelten: Es zählen die Stimmen derjenige, die an die Urne gehen. Wer von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch macht, überlässt die Entscheidung den Abstimmendne.

  • PG
    Peter Gabriel

    Bei aller Zustimmung zum erfreulichen Ergebnis. Die überflüssige Machtdemonstation des Springer Konzerns, von B-C-D-Promis und der Wirtschaftselite hat Steuergeld gekostet. Und nicht gerade wenig.