Kommentar Teddy-"Mohammed"-Fall: Islamistische Retourkutsche
Mit der Verurteilung einer britischen Lehrerin, die einem Teddy auf Wunsch ihrer Schüler den Namen "Mohammed" gab, glaubt Sudans Regime sich als besonders eifriger Verteidiger des Islam in Szene setzen zu können.
W ie viele muslimische Kinder nennen ihren Teddy wohl Mohammed? Die Zahl dürfte in die Zigtausende gehen, schließlich zählt Mohammed unter Muslimen weltweit zu den beliebtesten Namen. Mag sein, dass dies für manch einen besonders strenggläubigen Sudanesen der Götzenanbetung gleichkommt. Doch es ist an Absurdität kaum zu überbieten, dass eine britische Lehrerin von einem Gericht in Sudan zu fünfzehn Tagen Haft und anschließender Ausweisung verurteilt wurde, weil sie einem Plüschtier auf Wunsch ihrer Schüler den Namen des muslimischen Propheten gegeben hatte.
Der Fall ist wohl nur vor dem Hintergrund der Affäre um die dänischen Mohammed-Karikaturen zu begreifen. Es spricht viel dafür, dass es sich um den späten Versuch einer Retourkutsche handelt, der die unschuldige Britin zum Opfer fiel. Zum "Teil einer westlichen Verschwörung gegen den Islam" jedenfalls haben hohe Geistliche des Landes das Tun der Ausländerin bereits aufgebauscht - was von einem geradezu paranoiden Misstrauen gegen den Westen zeugt. Darum liegt hier sicher mehr als nur ein "unschuldiges Missverständnis" vor, wie der britische Außenminister abwiegelt. Die Lehrerin wurde bewusst missverstanden.
Der wahre Grund für die diplomatische Affäre ist in den komplexen Beziehungen zwischen dem Sudan und seiner früheren Kolonialmacht Großbritannien zu suchen. Offenbar will man den Briten eins auswischen, weil sie sich in Sachen Darfur eingemischt haben? Oder ist die Schule, an der die britische Lehrerin unterrichtet hat, den Autoritäten schon länger ein Dorn im Auge? Im Sudan herrscht schließlich seit 1989 ein fundamentalistisches Regime, das in den frühen Neunzigerjahren sogar Bin Laden Unterschlupf bot. Solche Islamisten mögen prinzipiell keine christlichen Lehrer, die muslimische Schüler unterrichten.
Dem Regime in Khartum bietet die Affäre jetzt Gelegenheit, sich als besonders eifriger Verteidiger des Islam in Szene zu setzen. Denn man glaubt, damit gegenüber anderen streng islamischen Regimes wie Saudi-Arabien oder dem Iran punkten zu können. Das Bild, das man im Rest der Welt abgibt, ist allerdings erbärmlich.
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