Kommentar Szydlos Auschwitz-Rede: „Nie wieder“ instrumentalisiert

Polens Premierministerin hält eine Skandalrede in Auschwitz. Sie stellt Kriegsflüchtlinge in eine Reihe mit neuen Nazis.

Beata Szydlo (r), und Kulturminister Piotr Glinski stehen vor einer Mauer, an die Blumenkränze gelehnt sind

Die Inzenierung eines verleumderischen Gedenkens Foto: dpa

Terroristen, Sozialschmarotzer und todbringende Bazillenträger – das waren bislang Kriegsflüchtlinge für polnische Regierungspolitiker. Diese seit Mitte 2015 anhaltende Angst- und Hetzkampagne der nationalpopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ist schon schlimm genug.

Nun aber sagte Polens Premier Beata Szydlo etwas so Unfassbares, dass viele glaubten, sich verhört zu haben: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, verblendet von verbrecherischen Ideen, anderen das Recht auf ihr Leben nehmen.“ Die Aufgabe der Politiker sei es, dafür zu sorgen, dass es nie wieder zu so schrecklichen Ereignissen wie in Auschwitz und anderen Todesorten komme. „Auschwitz ist in unseren unruhigen Zeiten eine große Lektion dessen, dass man alles tun muss, um Sicherheit und Leben der eigenen Staatsbürger zu schützen“

Anlass für die Rede war der „Nationale Gedenktag an die Opfer der deutschen Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslager“. Er erinnert an den ersten Transport am 14. Juni 1940, bei dem vor allem christliche Polen nach Auschwitz gebracht wurden. Beata Szydlos Satz bekommt seine skandalöse Aussage im Kontext der permanenten PiS-Hetze gegen Kriegsflüchtlinge und EU-Politiker, die Polen an die vereinbarte Aufnahme von rund 7.000 Flüchtlinge erinnern. Obwohl Polen sich vertraglich dazu verpflichtet hat, behauptet die aktuelle Regierung, dass sich die Sicherheitslage geändert habe, dass unter den Flüchtlingen Terroristen seien und der Westen durch seine „Humanität und Solidarität“ der Selbstvernichtung entgegengehe.

Das Vertragsverletzungsverfahren, das die Europäische Kommission vor kurzem einleitete, bezeichnen Polens Politiker als „Erpressung“ oder „Diktat aus Brüssel“. Warum die EU gegen diese permanente Hetze und Herabsetzung nicht vorgeht, bleibt ein Rätsel.

Tatsächlich hatte Polens II. Republik ihre Staatsbürger 1939 bis 1945 nur unzureichend vor den Nazis schützen können: Rund 95 Prozent der polnischen Juden wurden ermordet und rund 10 Prozent der polnischen Christen kamen ums Leben. Das „Nie wieder“ instrumentalisiert Szydlo nun aber ausgerechnet in Auschwitz für die eigene Flüchtlingspolitik, als seien die Flüchtlinge die neuen Nazis, die Polen besetzen und ermorden wollten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.