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Kommentar SyrienAuch Assad wird gehen müssen

Kommentar von Georg Baltissen

Die herrschende Baath-Partei unter Präsident Baschar al-Assad ist zu einer parasitären, korrupten Clique geworden, die der Jugend die Zukunft raubt und dem Alter die Würde.

A ls Baschar al-Assad im Jahre 2000 die Macht in Damaskus von seinem Vater erbte, sprachen nicht nur arabische Medien von einem syrischen Frühling, einer Öffnung des verkrusteten Regimes, das damals seit mehr als 30 Jahren mit Ausnahmegesetzen regierte.

Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Die kleptomanische Nomenklatura aus Staatsapparat, Bürokratie, Geheimdienst und Vetternwirtschaft hat die Blütenträume einer neuen Zeitrechnung sehr schnell im Keim erstickt. Der Diktatorensohn, der im Westen ausgebildet wurde und an den sich schon deshalb viele Erwartungen knüpften, ist in die blutigen Fußstapfen seines Vaters getreten.

Die blindwütige Repression gegen die Demonstranten im Süden des Landes mit über 100 Toten folgt dem Verhalten, das sein Vater Hafis al-Assad im Jahre 1982 vorexerzierte, als er die Rebellion der Muslimbrüder in Hama damit beantwortete, dass er die Stadt in Schutt und Asche legte und den Tod von 20.000 Menschen in Kauf nahm. Danach herrschte Ruhe im Lande, Friedhofsruhe.

Bild: privat

GEORG BALTISSEN ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Doch Syrien ist längst keine selige Diktatoreninsel mehr inmitten eines arabischen Aufstandes. Der arabische Frühling hat nicht an den Grenzen des Landes haltgemacht und er wird auch nicht vor den Toren Damaskus haltmachen. Das Regime hat seine Legitimation eingebüßt, weil Baschar al-Assad den Wandel verpasst und nichts aus dem Scheitern seiner Diktatorenkollegen gelernt hat. Die herrschende Baath-Partei mit ihrer säkularen panarabischen Ideologie ist zu einer parasitären, korrupten Clique geworden, die der Jugend die Zukunft raubt und dem Alter die Würde.

Der Ruf der Demonstranten in Deraa, "Gott, Syrien, Freiheit", klagt das Regime an, all jene "Werte" zu verachten, die für diese arabische Nation heute konstitutiv sind. Es sind nicht konfessionelle Linien, die den Kampf um die Macht in Syrien bestimmen, auch wenn die herrschende Clique der alevitischen Minderheit angehört.

Die Anliegen der syrischen Zivilgesellschaft, die so lange und so brutal unterdrückt wurde, waren immer Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungsrecht und Demokratie. Die Demonstranten haben den Freitag zum "Tag der Würde" erklärt. Das Regime, so steht zu fürchten, wird mit blutiger Gewalt antworten. Retten wird das Baschar al-Assad am Ende nicht. Aber um der Freiheit willen wird in Syrien und der arabischen Welt noch viel Blut vergossen.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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8 Kommentare

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  • TR
    TOBIAS RÜGER

    Schwierige Ausgangslage in Syrien: 80% sunnitischen Araber, der Rest div. Minderheiten, die nach Wegfall der Diktatur akut bedroht wären. Ich denke, Assad jr. hat keinen Spielraum für Öffnung, solange die Gesellschaft mehrheitlich nicht demokratiefähig ist.

  • B
    Ben

    @"Beobachter": Das ist es, was viele umtreibt: stärkt oder schwächt das politische Beben im Nahen Osten die Hetze und den Terror gegen Israel? Umgekehrt: es wird solange keine Hoffnung für einen besseren, freien Nahen Osten geben, wie die wahnhafte Fixierung auf Israel anhält, die es jedem Demagogen ermöglicht, mit antizionistischer Agitation noch für die mittelalterlichsten Ideen Stimmen zu sammeln. In der iranischen Opposition wissen mittlerweile viele um diesen Zusammenhang, deshalb werden sie von den deutschen und europäischen "Beobachtern" auch so mißtrauisch beäugt.

  • H
    Hans

    Als Hama platt gemacht wurde, war Hafis Asad krank und sein Bruder Rifaat Asad hat das vor allem gemacht. Das Problem in Syrien liegt in der Struktur des Regimes: Die Alawiten-Militär-Clans haben keine Alternative, deswegen kämpfen sie bis zuletzt. Dass Syrien - wie Ägypten - stetig unter seinen Möglichkeiten bleibt, ist kein Geheimnis und auch keine positive Eigenschaft. Was allerdings bei einem arabischen Frühling in Syrien passiert, ist nicht klar.

    Leider kann sich das gegenwärtige Regime nicht von alleine modernisieren.

    Wenn Asad einen Dialog und einen Weg des Miteinanders finden könnte, wäre dies von Vorteil. Aber dies scheint mir unwahrscheinlich und dann kommt es zu einem langen und blutigen Bürgerkrieg, zumal Syrien eine wichtige Stütze des Irans ist und dieser auf Syrien nicht verzichten kann, wie auch eine ganze Reihe von Kräften im Libanon.

    Einfach wird es nicht werden, wenn es überhaupt wird.

  • R
    ryba

    Ich schließe mich hiermit allen meinen Vorgängern an, danke!

  • N
    Nassauer

    Da macht Deutschland mal eine Krieg NICHT mit, und schon ist es auch wieder nicht richtig...

  • F
    franziska.qu

    Bombardieren. Angriff. Attacke. Syrien, Jemen... auch in Bahrain. Dann aber auch gegen die Unterstützer aus Saudi-Arabien. Einmarsch in Saudi-Arabien...die Kriegsfreunde zeigen denen, wie der Westen den Schleier abreißt und Frauen befreit. Was hätten wir so noch auf Lager? China? Rein. Pakistan? Rein. Birma? Nix wie rein. Gegen Foltertstaaten? USA..nix wie rein...äh, sorry. Da gehts ja nicht. Also weiter. Israel hält Palästina besetzt? Naja, da gehts nicht mit rein...die Historie, sie wissen. Rußland? Ach nix wie rein....

    Den Befreiungstruppen mit wehenden Fahnen voran die Freiwilligenkontingente aus der GRÜNENPartei und der taz im Verbund mit den Kontingenten der anderen Deutschen Medien... Leiter der medialen Propagandaabteilung: Josef Martin Fischer. Kanonenpolitik Anno 2011.Dreht ihr alle durch? Der alte Wilhelm Zwo freut sich im Grabe.

    Da lob ich mir momentan aber die Merkel und ihren Guido für deren vernünftige Friedenspolitik!

  • R
    Richard

    Assad wird bleiben. Es wurden legidlich ein paar bewaffnete Banditen von den Sicherheitskräften erschossen. Gaddafi wird genauso bleiben, weil er gegen bewaffnete Rebellen vorgeht und der Großteil des libyschen Volkes auf seiner Seite ist. Erst neulich hat sich ein großer rebellischer Stamm mit Gaddafi wieder verbrüdert. Was der Westen wohl machen wird, wenn der letzte rebellische Stamm sich auch noch mit Gaddafi verbrüdert? Mit keiner Lüge der Welt könnte dann der Westen seine imperiale Politik kaschieren. Im Jemen und Bahrain ist es dagegen ne andere Geschichte. Da sind es tatsächlich unbewaffnete Demonstraten. Was würde man wohl hier gegen bewaffnete Rebellen und Banditen machen? Der Westen bereitet jetzt doch auch gegen Syrien medial einen Krieg vor. Dabei müsste man schon längst im Jemen und in Bahrain intervenieren, weil dort unbewaffnete Demonstranten erschossen werden. Dem Westen bzw. der NATO geht es doch nicht um Demokratie und Menschenrechte. Demokratien sind nicht per se besser als Diktaturen.

     

     

    "Als Massaker von Paris 1961 ging ein Massaker in Paris am 17. Oktober 1961 während des Algerienkriegs (1954–1962) in die Geschichte ein. Die Pariser Polizei unter Maurice Papon ging brutal gegen eine nicht genehmigte, aber friedliche Demonstration mehrerer zehntausend Algerier vor, zu der die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN aufgerufen hatte. Man schätzt, dass etwa 200 Nordafrikaner ums Leben kamen. Sie wurden erschossen, erschlagen und in der Seine ertränkt. Die blutig verlaufene Massendemonstration wurde in den französischen Medien seinerzeit nahezu flächendeckend totgeschwiegen und erst mit großem zeitlichen Abstand zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion in Frankreich."

    http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Paris_1961

  • B
    Beobachter

    Völlig einverstanden, dass dieses Regime gehen muss Herr Baltissen.

     

    Wenn Sie und andere Schreiberlinge danach (wenn die arabischen Regime durch freie Regierungen ersetzt sind) dann endlich auch fordern, dass die "internationale Gemeinschaft", das letzte totalitäre Regime der Gegend (nämlich den Besatungs-und Apartheidsstaat, der auf arabischem Gebiet errichtet wurde, damals unter der Despotie der britischen Kolonialmacht) dazu zwingt, die Menschenrechte einzuhalten, seine ethnischen Säuberungen auf Raten einzustellen und ein völkerrechtswidriges Besatzungsjoch zu beenden, DANN ja DANN glaube ich den hehren Verlautbarungen von Demokratie und Menschenrechten aus den USA und der EU wieder. Und DANN ja DANN kaufe ich mir vielleicht auch die "taz" am Kiosk mal wieder, wenn die tendentiöse Agenda, die auch die taz seit einiger Zeit fährt, durch echte Sorge um das Wohlergehen ALLER Menschen ersetzt wurde!

     

    Alles andere bleibt sonst was es ist: Doppelmoral und bigotte Heuchelei!