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Kommentar SyrienSaison der Massaker

Kommentar von Georg Baltissen

Der syrische Bürgerkrieg ist in seine brutalste Phase getreten. Dank der Ideenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft wird sie sehr lange dauern.

G rausam, brutal, unerbittlich. In Syrien hat die Zeit der Massaker begonnen. Und diese Zeit wird lange dauern. Das Abschlachten von Menschen, die Rache für erlittene Gräueltaten, der Kampf um die Vormacht in jedem Dorf und in jeder Region haben erst begonnen. Entschieden ist die Schlacht noch nicht.

Bislang – und das trifft wohl auch auf das jüngste Massaker in Trimsa zu – sind in den meisten Fällen die Regierungstruppen und die Shabiha-Milizen für die monströsen Verbrechen verantwortlich. Das muss so aber nicht bleiben. In einem Krieg, der buchstäblich ums Überleben geht, wird die moralische Grenze gedehnt, bis sie nicht mehr wirksam ist.

Die Bemühungen der internationalen Diplomatie sind einfach an den Machtinteressen der beteiligten Groß- und Kleinmächte gescheitert. Der Annan-Plan war immer nur die Ausrede aufseiten aller beteiligten Staaten dafür, dass sie keine Idee hatten, wie dem inneren Konflikt in Syrien beizukommen gewesen wäre. Also wird er jetzt ausgefochten. Dabei sind die Armee-Einheiten und die Shabiha-Milizen im Vorteil – militärisch. Aber das kann sich durchaus ändern.

Bild: privat
Georg Baltissen

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Viele internationale und regionale Akteure haben ein großes Interesse daran, in Syrien einen Stellvertreterkrieg auszufechten, der sich gegen Iran, gegen die Hisbollah im Libanon und gegen die schiitische Herrschaft im Irak richtet. Um einen Flächenbrand zu vermeiden, der die gesamte Region in einen Krieg verwickelt, wird umso heftiger und gnadenloser in Syrien massakriert und gefochten.

Schon heute ist absehbar, dass Syrien auf ein bis zwei Jahrzehnte hinaus ein verarmtes, destabilisiertes und verheertes Land bleiben wird, in dem ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich sein wird.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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3 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Sehr geehrter Herr Baltissen,

     

    ich teile Ihre Einschätzungen überwiegend - aber, was bedeutet dies für uns?

     

    Sie beschreiben die wahrscheinliche Entwicklung im Falle weiterer Tatenlosigkeit der Weltgemeinschaft.

    Dies ist aber doch kein unausweichliches Dogma.

     

    Im Gegenteil haben wir jederzeit Gelegenheit etwas dagegen zu tun, denn wenn wir unserer menschlichen Verantwortung gerecht werden wollen, dann müssen wir ja nicht einfach zulassen, wie Syrien in einen langen Konflikt abdriftet und sich die Lebensumstände dort immer weiter verschlechtern.

     

    Wir können sowohl auf die "Initiatoren" des Stellvertreterkrieges einwirken, als uns auch in Syrien selbst engagieren.

    Engagieren bedeutet nicht zwingend Waffengewalt, denn ich bin der Ansicht, wir haben auf dem Verhandlungswege wenig getan - Kofi nach Damaskus ohne Angebote schicken, sondern nur mit Forderungen für deren Durchsetzung er kein einziges Druckmittel hat... das sind ja keine ernst zu nehmenden Verhandlungen.

     

    Meiner Ansicht nach, ist der Einsatz von Gewalt dann zulässig, wenn er mehr Gewalt verhindert.

    Das von Ihnen beschriebene Szenario klingt nach gefühlt endloser Gewaltorgie.

    Ich halte es für unsere Pflicht und Schuldigkeit, dies zu verhindern.

    Wo also ist Ihr Aufruf an unsere - auch Deutsche - Politik, sich ernsthaft in Syrien zu engagieren?

     

    Es ist eines, der Opposition 600 Mio Euro für den Wiederaufbau des Landes zuzusagen, auf Konferenzen herumzutingeln und fragwürdige Statements abzulassen(--> Westerwelle).Es ist etwas ganz anderes, ernsthaft und konkret Syrien bei der Überwindung seiner Probleme zu helfen. Dies bedeutet eben auch mit einem Massenmörder wie Assad Klartext zu reden, konstruktive Angebote (Investitionen, institutionelle Beratung, technische Unterstützung etc.) zu unterbreiten und auf Staaten wie Saudi-Arabien, Katar etc. einzuwirken.

    Es ist nicht so, dass wir hier keine politischen Möglichkeiten hätten?

     

    Wenn wir nichts tun obwohl wir es könnten, dann machen wir uns schlichtweg mitschuldig und unglaubwürdig.

  • E
    end.the.occupation

    >> Schon heute ist absehbar, dass Syrien auf ein bis zwei Jahrzehnte hinaus ein verarmtes, destabilisiertes und verheertes Land bleiben wird, in dem ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich sein wird.

     

    Na da kann sich die taz ja auf die Schulter klopfen.

     

    Aber - es 'nutzt' natürlich Israel - und daher bejubelen wir das natürlich pflichtgemäss: Der besetze Golan und die von dort von Israel betriebene ethnische Säuberung von 100.000 Bewohnern wird zur Fussnote der Geschichte. Dazu kommt die Schwächung der Hisbollah - und vielleicht ein neuer Bürgerkrieg oder/und eine neue westlich/israelische Intervention im Libanon.

     

    Gratulation nach Washington, Tel Aviv, Riad und Qatar. Nächste Station: Teheran.

  • VL
    vergessene Liebe

    Ein guter und sehr objektiver Text! Danke Herr Balthissen!

    Wer ist nun verantwortlich für dieses Chaos in Syrien - dem viele unschuldige Menschen, Kinder, Frauen, Männer zum Opfer werden? Es stinkt alles nach kontrollierter De- stabilisierung des bisherigen Regimes im Namen von neoliberalistisch und religiös verbrämten Mächten... denen ein Zusammenbruch der Ordnung in Syrien nützlich erscheint. Die aber die hässlichkeit eines Flächenbrandes im Nahen Osten nicht kalkuliert haben !