Kommentar Syrien-Geberkonferenz: Kein Wiederaufbau mit Assad
Wer Syrien finanziert, stützt das Regime. Die Botschaft aus Brüssel muss lauten: Der Wiederaufbau beginnt erst, wenn keine Bomben mehr fallen.
Syrien wiederaufzubauen klingt nach einer super Idee – „Syriens Zukunft und die der Region unterstützen“ heißt die Geberkonferenz am Dienstag und Mittwoch in Brüssel. Dann könnten wir das Land schon bald zum sicheren Herkunftsstaat erklären und die 500.000 nach Deutschland geflüchteten Syrer guten Gewissens nach Hause schicken. Nebenbei gäbe es ein paar lukrative Aufträge für deutsche Firmen und Entwicklungshilfeorganisationen hätten ihren Fuß in der Tür.
Präsident Assad hat das längst begriffen und in einem Interview kürzlich konkretisiert: „Liebe Europäer, die Syrer brauchen euer Geld nicht in Europa, sondern in Syrien! Wenn ihr mein Land wieder aufbaut, nehme ich die Geflüchteten zurück.“ Mehr win-win geht nicht.
Wer die humanitäre Arbeit in Syrien kennt, weiß, was das praktisch bedeutet. Geholfen wird denen, die zu Assad stehen oder mindestens so tun oder den Mund halten. Wer gegen seine Herrschaft aufbegehrt, wird so lange ausgehungert und bombardiert bis er aufgibt und der eigenen Vertreibung zustimmt. Im Wochenrhythmus fahren die Busse nach Idlib in die letzte große Rebellen-Enklave – darin entkräftete, gebrochene Menschen aus Stadtteilen und Orten, die jahrelang oppositionell verwaltet waren und dafür kollektiv bestraft wurden.
Aus Angst vor Verhaftung und Folter verlassen sie ihre Wohnungen, die dann von Assads Milizionären und Irans Söldnern verteilt werden. Politische Säuberung ist das, gepaart mit konfessioneller Neuordnung. Wollen wir Assads Schergen wirklich Wasser und Strom besorgen? Nein. Aber dürfen wir Ost-Aleppo in Ruinen liegen lassen?
Syrien aufbauen, ohne das Regime zu stützen?
Das Dilemma ist klar: Wie können wir Syrien wieder aufbauen ohne das Regime zu rehabilitieren? Die bittere Antwort lautet: Gar nicht. In einem Land, in dem der Präsident sämtliche staatlichen Institutionen in den Dienst des eigenen Machterhalts gestellt hat, führt am Regime kein Weg vorbei. Es gibt keine Technokraten der zweiten oder dritten Ebene, mit denen man direkt zusammenarbeiten könnte und keine Banken, Fonds oder Organisationen, über die Gelder unabhängig verwaltet und nach Bedarf ausgegeben werden könnten.
Jeder Euro, den wir in bester Absicht einem Ministerium, einer Handelskammer oder einer Wasserbehörde geben, stabilisiert Assad und seine „Massenvernichtung von Zivilbevölkerung“ (UN-Untersuchungskommission). Führende Vertreter dieses Systems sind deshalb in Spanien wegen Staatsterrorismus angeklagt.
So lange sich das nicht ändert, darf Europa kein Geld nach Damaskus überweisen. Keine Sorge, den unter Assad lebenden Syrern geht es deshalb immer noch besser als allen anderen. Sie werden zuverlässig von den UN versorgt, deren Hilfe das Regime geschickt instrumentalisiert. Aber beim Wiederaufbau ist Schluss. Denn wer in Daraya bei Damaskus oder al-Waer in Homs Häuser repariert, während deren rechtmäßige Besitzer in Idlib mit Giftgas angegriffen werden, macht sich schuldig.
Die Botschaft aus Brüssel muss lauten: Der Wiederaufbau Syriens beginnt erst, wenn keine Bomben mehr fallen und ein politischer Übergang auf dem Weg ist. Bis dahin gibt es anderes zu tun: Syriens Geflüchtete brauchen rechtliche Sicherheit, Bildung, Jobs und psychologische Betreuung. Und Syriens zivilgesellschaftliche Gruppen – aufgerieben zwischen staatlichem und dschihadistischem Terror – sollten wir stärken, schützen und miteinbeziehen. „Wir existieren!“, rufen sie den Konferenzteilnehmern mit einer gleichnamigen Initiative zu, ihre Forderungen zu erhören, lohnt sich.
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