Kommentar Südkorea: Weizen statt Waffen
Auf der koreanischen Halbinsel finden wieder einmal Militärmanöver statt. Und das, obwohl der Papst gerade da ist und Frieden verkündet.
W as für ein makabrer Kontrast: Papst Franziskus wirbt in Seoul beim Abschlussgottesdienst seiner fünftägigen Südkorea-Reise vor Hunderten Christen um Aussöhnung und Frieden auf der koreanischen Halbinsel. Auch Südkoreas konservative Präsidentin Park Geun Hye ist dabei und betet mit.
Zeitgleich erteilt sie den Befehl für das gemeinsame jährliche Militärmanöver mit den USA. Parks Geste des Friedens und Aussöhnung besteht in Wirklichkeit aus Drohgebärden und Einschüchterung. Zwar soll die zehntägige Militärübung hauptsächlich an Computern stattfinden und lediglich die "Reaktion auf einen möglichen atomaren Angriff" simulieren, wie die südkoreanische Führung betont. Dennoch nehmen an dieser Übung zehntausende südkoreanische und US-amerikanische Soldaten teil. Sie sollen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt werden, um auf "provokative Akte" Nordkoreas entschlossen reagieren zu können.
Dabei sollten sowohl die USA als auch Südkorea wissen: Den ohnehin nervösen Diktator Kim Yong-Un treiben Militärübungen dieser Art in den Wahnsinn und machen ihn noch gefährlicher. Zwar provoziert auch er ohne Zutun von Außen, erst vergangene Woche hat er - unmittelbar vor Ankunft des Papstes - drei Raketen gen Süden in die Luft feuern lassen. Wie schon die vielen anderen Geschosse der vergangenen Monaten stürzten auch sie irgendwo im offenen Meer ab. An einen wirklichen Krieg ist Kim Jong-Un aber nicht interessiert. Er würde es nicht überleben.
Sicherlich, das Regime in Pjöngjang bleibt unberechenbar. Und das Ziel der atomaren Bewaffung ist real. Doch wäre dem Ziel des Friedens und der Aussöhnung auf der koreanischen Halbinsel mehr gedient, die Lebensmittelhilfe für das völlig abgewirtschaftete Land wieder zu verstärken, als mit noch mehr Waffen den jungen Diktator unter Druck zu setzen. Präsidentin Park könnte dann glaubwürdig der Messe von Papst Franziskus beiwohnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus