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Kommentar Stuttgart 21Noch ist nichts geschlichtet

Peter Unfried
Kommentar von Peter Unfried

War es das jetzt? Nach der Schlichtung, die eigentlich keine war, hängt viel davon ab, was in der Bürgerbewegung steckt. Die Landtagswahl wird es zeigen.

H einer Geißlers Schlichtung kann man als eklatante Niederlage für die Gegner des Bahnhofs- und Verkehrsprojekts Stuttgart 21 deuten. Das ist dann der Fall, wenn man Geißlers Schlichterspruch, ein "Plus" an Stuttgart 21 anzufügen, so versteht, dass ein großer Unsinn kleiner werden soll, indem man noch mehr Geld ausgibt, als ohnehin schon vorgesehen war.

Diese Schlichtung war keine Schlichtung und konnte keine sein. Sie war aber mehr als ein neues TV-Demokratiesimulationsformat, weil sie die Projektverantwortlichen erstmals gezwungen hat, Fakten auf einen Tisch zu legen, an dem auch Bürgerinnen und Bürger saßen. Und die mussten auch Fakten liefern. Das hat einen hochemotionalen Streit versachlicht.

Die Frage ist nun: Wars das? Das hängt weniger von den Grünen ab und mehr davon, was in dieser "neuen" Bürgerbewegung tatsächlich steckt, die nicht nur einen Tiefbahnhof verhindern will, sondern in den letzten Monaten tastend zu suchen angefangen hat: nach einer neuen Definition von Fortschritt, von politischer Partizipation, aber auch von Lebensglück.

taz

Peter Unfried ist Chefreporter der taz.

Die Bewegung hat ihre Stärke aus der Beteiligung der bürgerlichen Mitte gewonnen. Wenn die neuen Bewegten nun Geißlers Moderation als maximalen Transparenz- und Demokratiegewinn verbuchen und von dannen ziehen, dann wars das. Dann kann die Bahn in alter Abgeschiedenheit den von Geißler angeordneten "Stresstest" machen. Und Ministerpräsident Mappus wird sich weiter möglichst konziliant verhalten, bis es Ende März für die ewige CDU-Regierung doch ein weiteres Mal reicht. Und am Bahnhof und um den Bahnhof herum kann alles weiter seinen Gang gehen.

Wollen Gegner und Bürgergesellschaft sich damit nicht zufriedengeben, dann müssen sie den "Stresstest" als Fortsetzung der Schlichtung sehen und die Kraft haben, auch dort mit am Tisch zu sitzen, um zu prüfen, ob die bisher fehlende Leistungsfähigkeit und überschaubare Kosten nun tatsächlich erbracht werden können.

Und sie müssten Kanzlerin Merkels Angebot weiter ernst nehmen, bei der Landtagswahl über Stuttgart 21 abzustimmen. Bei den Demonstrationen an den nächsten beiden Samstagen wird sich erweisen, ob die Stuttgarter Revolte eine Episode war oder ob die Gesellschaft tatsächlich Kraft für Veränderungen aufbringen will.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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12 Kommentare

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  • H
    hto

    "Noch ist nichts geschlichtet"

     

    - Warum auch, wenn das schlichte Bewußtsein der Masse doch nur verstärkt konfusioniert werden muß, um wieder "Ordnung" ins System von "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" zu bringen!?

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    'Wars das? Das hängt ... mehr davon, was in dieser "neuen" Bürgerbewegung tatsächlich steckt, ... tastend zu suchen angefangen hat: nach einer neuen Definition von Fortschritt, von politischer Partizipation, aber auch von Lebensglück. '

     

    Man müßte als Protestbewegung halt über eine umfassende (Evolutionsprozess-) Theoriegrundlage verfügen, um das 2%Wachwstumszwang-Regime der KAPITALSTOCKMAXIMIERER aushebeln zu können. So aber entwickelt und realisiert das 2%Regime mit seinem (Evolutionsprozess-Knowhow-Vorsprung ein Großprojekt nach dem anderen, und steht eine Crash-Krise nach der anderen durch.

     

    Und immer protestiert das linke Murmeltier !!! Wann begreifen diese Bürgerlichen endlich, dass ihnen das hinreichende und im Internet vorhandene Evolutionsprojekt-Wissen fehlt, um auf überlegenen Augenhöhe das evolutionäre Gegenprojekt zum 2%Wachstumszwang-KAPITAL-Projekt zu starten?

     

    Darunter murmelt nur das Protestmurmeltier immer so weiter.

  • K
    kotelette

    Ich sehe die Schlichtung nicht ganz so negativ.

     

    Schade nur, dass unmittelbar nach dem Schlichterspruch es genauso weiter geht in BW wie vorher, Stresstest? machen wir irgendwann. Bis dahin hat die Bahn Baurecht und beschlossen ist es eh schon, Veträge eh und bla.

     

    Und die Gönner: ohne Worte. Grinsende Wichtigtuerin während der ganzen Schlichtung, Schrecklich diese Frau.

     

    Ich glaube sogar, dass die jursitische Lage so derart verzwickt ist, dass selbst bei einer grünen Beteiligung ab April 2011, der Ausstieg sehr kompliziert und teuer wird, wenn nicht sogar unmöglich.

  • F
    Florentine

    H. Geißler heute im Interview in der SZ u.a.:

     

    "SZ: Fährt die Bahn also jetzt gleich wieder mit dem Bagger vor?

     

    Geißler: Rein rechtlich könnten die Bahn-Leute das; mit dem Ende der Schlichtung ist ja auch der Baustopp zu Ende.

    .........

    SZ: Kann bei dem Stresstest herauskommen, den Bahnhof nicht zu bauen?

     

    Geißler: Nein. Dieser Test soll nur feststellen, ob und welche Verbesserungen notwendig sind, um auf die von der Bahn versprochene Zahl von Zügen zu kommen.

    ....."

     

    Nach den Fakten, so wie ich sie während der Schlichtung wahrgenommen habe, müßte S21 erledigt sein.

    Aber:

    Geißlers Ziel bei diesen Gesprächen "Humanisierung des Konflikts", sprich: Befriedung des Widerstands durch diese Schlichtungsshow.

    Da darf sie aber weiter grinsen die Gönner.

  • S
    SchmidRichard

    Liebe Florentine,

    die Wette halt ich ...

    alles wird sich ändern ... wenn wir es nur wollen ... und in Stuttgart waren "wir" ganz schön viele ... und durch Heiners Schlichtung, auch wenn sie wie zu erwarten, nicht zum Umfallen der Herrschenden geführt hat (so klug sind sie, der Göttin sei Dank, nicht) ... denn nur das hätte "uns" für eine kurze Zeit innehalten lassen ... so haben wir die Schlichtung genutzt das attacMotto "Bildung, Bildung, Bildung" aufs feinste umzusetzen ... Volksabstimmungen ohne Bildung, Bildung, Bildung, da wäre es den Burdas und Bertelsmännern ein leichtes, der BürgerIn etwas vom Pferd zu erzählen und den Herrschenden die Herrschaft zu lassen ... Mitbestimmung und als nächster Schritt Selbstbestimmung braucht den Citoyen (das c hinten bei attac) und der brauch viel, viel Zeit und damit Geduld ... liebe Grüße an alle (auch die Ungeduldigen) aus der attacVilla in Könnern, ein guter Ort zum Feiern ...

  • S
    S-dochegal

    ich weiß garnicht, was ihr gegen Geißler habt, schließlich ist er auf seine alten Tage doch noch fast ein Öko-Freak geworden. Vielleicht ja als Buße für die harten 30 Jahre vorher, als er als Fast-Rechtsradikaler auftrat, und dem linken Linksradikalen-Volk hin-und wieder entschieden mit Schlagstock und Wasserwerfer einen auf´n Kopf knallte. Ich verstehe hier in B auch nicht so ganz die Aufregung an sich. Das wird doch wohl nur als endlich-mal´n-paar-Proteste- von-Bürgern-Episode in die Geschichte eingehen. Es ist ja keine Anregung für den Rest der Republik. Es ist nicht beispielhaft, das habe ich nie rausgehört, genauso wenig wie von Solidarität´s-Demos. Also Schwamm drüber oder auch auf andere, verschwiegene Großprojekte gucken.

  • HS
    Heike Schiller

    Danke,

    dieser Kommentar bringt es auf den Punkt.

    Eigentlich geht es jetzt erst richtig los.

    Ich hoffe sehr, dass alle, die im Sommer mit ihrer

    friedlichen Präsenz auf den Stuttgarter Straßen dazu

    beigetragen, diesen Weg zu gehen sich jetzt nicht

    zurückziehen. on verra.

    das ist der Stresstest, den wir zu bestehen haben.

  • US
    Uwe Sak

    Doch es war genau das: Eine weitere simulierte Demokratieform. Was nützt es wenn die Fakten auf dem Tisch sind und es wird einfach weitergebaut?

    Dass die Bahnhofsgegner sich auf die Schlichtung eingelassen haben, war unendlich naiv. Ihnen ist damit der Schwung genommen worden. Im Übrigen ist es auch wurscht wer die Landtagswahl gewinnt. Man kann jetzt schon seinen A.... darauf verwetten, dass die Grünen nach der Wahl sagen: "Wir sind zwar dagegen, aber können Stuttgart 21 leider, leider nicht mehr stoppen."

  • WD
    Wigbert Draude

    Heiner Geißler: der CDU-Wolf im Schlichterpelz. Chapeau! Das ist noch Politik. Die K21-Befürworter rufen ihn, er drückt ihnen S21 aufs Auge-und kriegt von allen Seiten auch noch Applaus. Heiliger Heiner, bitte für uns, damit auch wir der Schar der Bewunderer beitreten können!

  • W
    Weinberg

    Beruhigend ist, dass die ach so klugen Schwaben mit Stuttgart 21 inkl. „Schlichtung“ über den Tisch gezogen wurden bzw. noch kräftig zur Kasse gebeten werden. Beunruhigend ist allerdings, dass letztlich auch die Nicht-Schwaben zur Kasse gebeten werden.

  • CT
    Christa Thiel

    Hat denn wirklich jemand mit einem anderen Ergebnis der Schlichtung gerechnet? Eine Krähe hackt der anderen doch kein Auge aus. Die Regierung kann zusätzlich als Erfolg verbuchen, die Gegner eingelullt,besänftigt und aus dem Tritt gebracht zu haben. Nun kann man im ganzen Land gespannt auf die nächsten Demos sein, die beweisen, wie ernst es den Bürgern wirklich ist,die arrogante selbstherrliche Regierung zum Teufel zu jagen. Damit könnten sie dann auch den Immobilienhaien die Suppe versalzen.

  • F
    Florentine

    Nix wird sich ändern, es wird so gebaut, wie bisher geplant, alles geht weiter wie vor der Schlichtung. Wetten dass...? Und die Mitsprache der Bürger bei der oberirdischen Bebauung...naja, wohin gehen wir zum lachen? Die Gönner tut heute schon so, als hätte es Geißlers Spruch nicht gegeben. Sie wird schon wissen, wieso sie während der ganzen Gespräche nur gegrinst hat.Und auf ihre Tantiemen aus ihren 'Nebenämtern' bei diversen Firmen wird sie wohl nicht verzichten wollen, diese sogenannte Volksvertreterin.