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Kommentar Sturz GaddafisDie Revolution geht weiter

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft. Die junge Generation verändert die Welt. Jetzt ist die Zeit für eine soziale Neuordnung des zerrissenen arabischen Raums.

M it dem spektakulären Untergang Gaddafis in Libyen schließt sich der Kreis der nordafrikanischen Revolutionen, der im Januar in Tunesien begann und im Februar in Ägypten seine Fortsetzung fand. Direkt nach Ben Alis Sturz in Tunesien waren die Ägypter auf die Straße gegangen; direkt nach Mubaraks Sturz traten die Libyer mit Massenprotesten für die Freiheit ein - aber Gaddafi, anders als seine schließlich gestürzten Nachbardiktatoren, griff gegen sie bedenkenlos zu den Waffen.

Nun, sechs Monate später, wird der dienstälteste Diktator der Welt nach fast 42 Jahren an der Macht vom eigenen Volk gestürzt, trotz seines einzigartig repressiven und brutalen Herrschaftssystems. Die internationalen Mächte, welche im März die Bevölkerung von Bengasi vor Massakern schützten und danach den libyschen Aufständischen bei ihrem Kampf geholfen haben, dürfen sich geehrt fühlen, einmal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.

Jahrzehntelang hatten sich Fortschrittsgläubige in aller Welt von Gaddafi blenden lassen, von seinem antiimperialistischen Gehabe, von seiner Feindschaft gegen den Westen, von seinem angeblichen "dritten Weg", von seinem Eintreten für Panarabismus und Panafrikanismus. Es war, wie Libyer insgeheim wussten, alles Show, Inszenierung eines grotesken Personenkults und Deckmantel für die eigene grenzenlose Machtgier.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Ko-Leiter des Ressorts Ausland der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Erst jetzt, ohne Gaddafi, kann endlich der schwierige Aufbau einer gerechteren politischen und ökonomischen Ordnung auf der Südseite des Mittelmeers beginnen. In Zusammenarbeit zwischen den zukünftigen Revolutionsregierungen von Tunesien, Libyen und Ägypten kann ein möglicher Ausgangspunkt entstehen für eine soziale Neuordnung des zerrissenen arabischen Raums - und auch für einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen Europa und Afrika.

Es warten noch ganz andere Herausforderungen

Die junge Generation der arabischen und afrikanischen Länder will die Welt verändern, und sie tut es. Ihr Werk ist in Libyen noch lange nicht vollendet, und es warten noch ganz andere Herausforderungen - an erster Stelle Syrien, aber auch viele andere unreformierte Staaten.

Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft. In Tunesien und Ägypten stehen in den nächsten Monaten schwierige Wahlen an. In Libyen beginnt jetzt der Aufbau einer Nachkriegsordnung. Das Ende des libyschen Bürgerkrieges dürfte die friedliche Demokratisierung der beiden Nachbarländer erleichtern, und diese wiederum dürfte den Kräften des demokratischen Wandels auch in Libyen Auftrieb geben. Auch Algerien und Marokko werden sich dem nicht dauerhaft verschließen können, die Länder südlich der Sahara tun das ohnehin längst nicht mehr.

Es geht darum, die politischen Strukturen so zu verändern, dass die Eliten ihre Privilegien nicht mehr mit den Mitteln der Staatsmacht gegen die Mehrheit verteidigen können. Das verdient internationale Unterstützung, die über Nato-Kampfflugzeuge und Ölgeschäfte hinausgeht - angefangen mit Reisefreiheit. Und dem kriselnden Europa täte es gut, in diesen Zeiten auch selbst Impulse zur Veränderung zu entdecken.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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17 Kommentare

 / 
  • 1
    1-Gaou

    @Massa S.: leider glaube ich dass weder Dominich Johnson noch die TAZ naiv sind - die wissen leider sehr genau warum sie diese Art von Politik stützen, seit 15 Jahren schriebt die TAZ nichts anderes! Siehe Jugoslawien, siehe Cote d'Ivoire, siehe www.ivoireleaks.de

  • MS
    Massa S

    Ein äußerst befremdlicher und naiver Artikel,der die Frage gar nicht zulässt, ob es den NATO Staaten doch wohl eher um das Geschäft mit dem Öl geht, als um die Wiederherstellung bzw. Verteidigung der Menschen-rechte. Warum war die NATO bislang nicht bereit, in Syrien aktiv einzugreifen? Syrien hat kaum noch Bodenschätze und außer ein paar antiken Ruinen nichts nennenswertes zu bieten, also nichts, aus dem man später Kapital schlagen könnte. Im Falle Libyen hingegen sind die Verteilungskämpfe an den Schreibtischen doch schon seit längerem im vollen Gange und die Öl-Verträge für die neue libysche Regierung längst vorbereitet. An der Börse stieg heute übrigens der Kurs für Frankreichs Mineralölmulti "Total" um gut zwei Prozent.

    "Das Ende des libyschen Bürgerkrieges dürfte die friedliche Demokratisierung der beiden Nachbarländer erleichtern, und diese wiederum dürfte den Kräften des demokratischen Wandels auch in Libyen Auftrieb geben"

    Der demokratische Wandel ist doch noch lange nicht in Sicht. Es ist doch eher zu befürchten, dass der Bürgerkrieg in Libyen nach dem Sturz Gaddafis erst wirklich losgeht. Die vielen unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Gruppierungen und Stämme, die alle an die Macht und an die golden Tröge wollen, lassen dies erahnen, zumal ich befürchte, dass die wenigsten von den so genannten "Rebellen" weder demokratiebereit noch demokratiewillig sind. Es wird sich zeigen, ob die Demokratiebewegung für das Gros der "aufständischen Gruppierungen" nicht eher ein Vorwand war, um persönliche Vorteile zu erhaschen, die man danach nicht bereit ist zu teilen. Von daher ist die Anmerkung, dass "die NATO Staaten sich geehrt fühlen dürfen, einmal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen." vollkommen vermessen und obsolet,denn wer nach dem Sturz Gadaffis letztendlich die Macht übernimmt, steht doch noch gänzlich in den Sternen.

  • V
    Volksverdummung

    .

    1. Das ungeprüfte Recyceln von NATO- und "Rebellen"-Meldungen wird zum SUPERGAU für den deutschen Qualitätsjournalismus!

     

    Der spektakuläre Untergang der JOURNALISTISCHEN ETHIK in den deutschen Medien erinnert in erschreckender Weise an die US-Medienberichterstattung im Rahmen der so genannten "Antiterrorberichterstattung".

     

    Wir, die Bürger, sind plötzlich zur Zielgruppe in einem Informations- u. Desinformationskrieg verkommen.

     

    ALLE grösseren Medien- und Presseorgane haben uns in den letzten Tagen -koordiniert- angelogen (nur in den letzten Tagen?).

    Ich empfehle Allen, eine KRITISCHERE BESTANDSAUFNAHME dessen zu machen, was um uns herum passiert!

    .

    Und was gibt es da nicht alles zu sehen...

    Ein Beispiel (v. 22.08.2011):

    "11.14 GMT: Libyan rebels in the eastern frontline oil town of Brega say loyalist forces are continuing to fight.
"The situation has not changed on the frontline, the front is still in Brega," Ahmed Omar Bani, the rebels' military spokesman told AFP.

    "We hope they (regime soldiers) will lay down their arms and retreat to Ras Lanuf and Sirte."

    QUELLE:

    •http://www.thejakartaglobe.com/afp/libya-live-report/460853

    ( Recherche: "www.radio-utopie.de" ).

     

    Laut Info des Militärsprechers Ahmed Omar Bani (an AFP !) wären Brega, Ras Lanuf u. Sirte demnach noch in Regierungshand...

    Schon "seltsam", aber nachdenklich stimmt auch, dass man v. einem Sprecher der Rebellen eher gegenteilige Behauptungen erwarten würde...

    .

     

    2. Gestern dann noch ein ausserplanmässiges "schocking event": auch der INTERNATIONALE STRAFGERICHTSHOF in DEN HAAG hat seine GLAUBWÜRDIGKEIT "geopfert" und sich im Rahmen dieses total geführten Informationskrieges vor den Karren der NATO-Militärs spannen lassen. -

    Trotz offizieller Beteuerungen, auch von Seiten des ISTGH, hat sich die Gefangennahme von Saif al Islam Gaddafi, des militärischen Führers der Gaddafi-Truppen, als gezielte "ENTE" (LÜGE) entpuppt.

     

    Der Lybien-Krieg offenbart die ganze HOHLHEIT der Kriegsgründe. Der Feind von gestern ist der Freund von morgen, oder umgekehrt.

    Wenn es denn einen unabhängigen ISTGH gäbe, dann müssten dort auch westliche FÜHRER und Angriffskrieger Rede und Antwort stehen.

    Ob Regierungen, oder Mitläufer: wer ANGRIFFSKRIEGE befürwortet, bewegt sich ausserhalb des anerkannten internationalen Rechtssystems.

    Das Problem: Der ISTGH hat vor den Augen der ganzen WELT seine politische Unabhängigkeit (Glaubwürdigkeit!) eingebüsst!

     

    George Orwells "1984" mit INGSOC-Frontberichten aus Afrika!

    Pflichtlektüre für angehende Militärexperten und Kriegsberichterstatter.

    Vgl.: •http://www.youtube.com/watch?v=aGwUNTGrnvE

    (Quelle: •meta.tagesschau.de/id/52136/libyen-rebellen-gewinnen-an-boden#comment-457711).

    .

     

    3. Meine dringende EMPFEHLUNG (für jene, die das "KANT`sche Dogma" noch schätzen):

    •http://www.radio-utopie.de/2011/08/22/live-ticker-und-einschatzung-zur-situation-in-tripolis-und-libyen/

     

    •http://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-libyen-rebellen-erobern-tripolis-heftige-gefechte-um-gaddafis-residenz-1.1133478

     

    .

    HESSE

    .

  • A
    AlpenSepp

    "Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft." Wieso lügt der Autor, wieso druckt die taz Lügen? Bombenkrieg gegen Libyen, war da was? Halten Sie die Leser mittlerweile für sooo dumm dass Wahrheit schon egal ist?

  • T
    Tschekkarin

    Zur Erläuterung der Hintergründe des Angriffs auf Libyen und der propagandistischen Begleitung (durch die taz): "Das Land hat die größten Erdölvorräte Afrikas für nur 6 Millionen Menschen" (SZ, 23.8.'11).

    Da haben wir den Kriegsgrund. Wir dürfen raten, wem die taz geholfen hat, diese Vorräte auszubeuten. Die Libyer, abgesehen von einer neuen US-installierten Herrscherschicht, sind dies sicher nicht. Nun folgt die propagandistische Verklärung des Krieges. Taz = Links? Auweia.Merkt niemand, dass sich die taz nur noch vom Jahrhundert von den Methoden eines anderen großen Propagandisten unterscheidet?

  • A
    AAA

    Schade das die taz es leider nicht für nötig hält über die Bewegung direkt vor ihrer Haustür zu berichten - Berlin Alexanderplatz:

    Die Empörten trotzen den Schikanen seitens der "Regierenden" das Camp steht und wächst.

    Die letzte Nacht verbrachten ca. 50 Empörte guten Mutes auf dem Alex, trotz Zeltverbot und Schikanen!!

    http://acampadaberlin.blogspot.com/

  • P
    P.Haller

    Man sollte nicht voreilig die "libysche Revolution" hochhimmeln.

    Was sich da in den letzten Wochen abgespielt hat sah eher so aus, dass sich der Westen mal wieder in die Startlöcher geschossen hat, um seine "Geschäfte" mit wem auch immer vorzubereiten.

    Und wie man jetzt so hört, geifern schon alle wieder nach dem libyschen Öl.

    Ist es schon jemals um was anderes gegangen ??

  • S
    Stefan

    Wow! Der ganze Artikel besteht doch tatsächlich nur aus Schönfärberei, Konjunktiven, ungedeckten Behauptungen, frommen Wünschen und naiver Lobhudelei im Zeichen des Interventionismus. Ein echter Johnson halt.

     

    Davon ganz unbenommen: meine besten Wünsche an das lybische Volk - der harte Teil kommt erst noch.

  • MS
    Michael Scheier

    "Es geht darum, die politischen Strukturen so zu verändern, dass die Eliten ihre Privilegien nicht mehr mit den Mitteln der Staatsmacht gegen die Mehrheit verteidigen können."

    Sie meinen Deutschland, Herr Johnson, - Ackermann und Konsorten - oder?

  • B
    Boumedienne

    Lybien ist jetzt eine westliche Kolonie...noch nie in der Menschheitsgeschichte hat eine militärische Intervention des Westens den Arabern die Freiheit gebracht...

  • V
    vic

    Aus eigener Kraft also.

    Naja, ein paar NATO Bomben haben sicher auch ihren Teil beigetragen.

  • T
    tageslicht

    "Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft." interessant, dass Sie zehntausende Bomben und Milliarden der NATO als eigene Kraft Nordafrikas betiteln.

    Glauben Sie auch an den Weihnachtsmann?

  • EI
    Er innern

    Afghanistan hat mit die neueste durch Deutsche mit-geschaffene Verfassung. Westerwelle hat Demokratisierungs-berater nach Ägypten geschickt.

    Ukraine. Haiti.

    Macht mal eine Liste von Revolutionen und ihren Erfolgen... . Inzwischen kommen die Diktatoren sogar gefeiert zurück.

    Aufstieg und Fall der Schillpartei. Leaks-Plattformen. Piraten. Grüne. Wenn man schlau genug ist, erkennt man Übereinstimmungen.

    Der Volksmund beschreibt das vereinfacht mit "Macht zersetzt die Moral.". Die Theorie der Demokratien existiert ja nicht einmal, sondern nur Machtverteilungs-Systeme die immer zerwachsener werden wie USA oder Europa um angeblich die Probleme zu lösen die genau durch die entstanden sind.

     

    @von Castorp: Möglicherweise haben die dort mitgemischt und die aktuelle Windrichtung genutzt.

    Schlimmer finde ich die Gewinner-Presse die letzte Woche noch nicht vom "erzbösen" Dikator berichtet und heute fallen sie quasi über ihn her. Demokratiefördernde Qualitäts-Leistungs-Presse wie sie im Buche steht.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Kommt es niemandem komisch vor, daß wir so edlen ehrenwerten Westler immer mit Lügen arbeiten müssen ...

     

    und der Komentator belügt auch noch bezahlt die taz-Leser ...

    ob er gar ein edler ehrenwerter Westler ist ??

     

    Ganz einfach mal die Auslandspresse lesen ...

    oder AlJazeera sehen !!!! selbst sind da offener , aber das Publikum ist ja auch deutlich anspruchsvoller.

  • T
    Tomate

    "Es geht darum, die politischen Strukturen so zu verändern, dass die Eliten ihre Privilegien nicht mehr mit den Mitteln der Staatsmacht gegen die Mehrheit verteidigen können. Das verdient internationale Unterstützung..."

     

    Oh wie fromm und naiv! Wer sagt Ihnen denn, dass die "internationale Unterstützung" nicht auf das genaue Gegenteil hinausläuft? Kennen Sie das Kleingedruckte der Abmachungen? Mal sehen, wer von heute an in ein, zwei Jahren am meisten an den lybischen Erdölquellen verdienen wird!

  • C
    Castorp

    Also was denn nun. Letzte Woche hiess es noch, die Lybische Revolution sei von der Nato und dem "Westen" angeschoben worden, um Rohstoffe in Nordafrika zu sichern. Nun schliesst sich ploetzlich ein Kreis aus Revolutionen aus eigener Kraft. Man muss sich schon irgenwann entscheiden was es denn nun sein soll, auch bei der taz.

  • C
    Castorp

    Also was denn nun. Letzte Woche hiess es noch, die Lybische Revolution sei von der Nato und dem "Westen" angeschoben worden, um Rohstoffe in Nordafrika zu sichern. Nun schliesst sich ploetzlich ein Kreis aus Revolutionen aus eigener Kraft. Man muss sich schon irgenwann entscheiden was es denn nun sein soll, auch bei der taz.