Kommentar Studieren ohne Abi: Öffnet die Hochschulen
Studierende ohne Abitur sind eine seltene Spezies, denn die große Masse der Unis schert sich nicht um sie. Und auch die Politiker sind eher Zaghaft was das Thema angeht.
I st das schon ein Grund zum Jubeln? Zwei Prozent aller Studierenden in Deutschland gelangen über den dritten Bildungsweg an die Hochschulen, also nach dem Abschluss einer Berufsausbildung und ohne das klassische Abitur. Das mögen zwar mehr sein als vor einigen Jahren – aber es sind weiterhin beklagenswert wenige: 9.241 Studenten waren es laut dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) im Jahr 2010. Sie sind eine seltene Spezies; allein die Zahl der Professoren ist zweieinhalb mal so hoch.
Die Hochschulen sind die sozial abgeschottetsten Bildungsinstitutionen des Landes, dank eines Schulsystems, das kräftig vorsortiert. Ändern kann sich das nur, wenn auch die Seitenwege in die Hörsäle ausgebaut werden.
Es deutet leider wenig darauf hin, dass das in großem Stil passiert. Die CHE-Studie zeigt: Dass mehr Nichtabiturienten studieren, ist einzelnen, wenigen Hochschulen zu verdanken, die spezielle Angebote geschaffen haben. Die große Masse der Universitäten schert sich dagegen wenig um die Talente, die ihnen bei der Einschreibung kein Abiturzeugnis auf den Tisch legen können.
BERND KRAMER ist Bildungsredakteur der taz.
Auch die Politik bemüht sich eher zaghaft darum, die Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Hochschulbildung zu erhöhen. Natürlich ist es ein Fortschritt, wenn Meister den Abiturienten gleichgestellt sind und theoretisch alles studieren können. Aber warum erst Meister?
Deutsche Bildungspolitiker verweisen reflexhaft auf das gute Berufsbildungssystem, wenn die Kritik auf die international hinterherhinkende Akademikerquote kommt: Für vieles, was andernorts ein Studium voraussetzt, qualifizieren hierzulande traditionell Betrieb und Berufsschule. Wenn man das deutsche Berufsbildungssystem so sehr schätzt, dann sollten dessen Absolventen auch uneingeschränkt an die Unis dürfen.
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