Kommentar Strompreise: Ohne Umdenken kein Wettbewerb
Wir haben ein falsches, tradiertes Bild vom Stromversorger. Es ist das Bild eines öffentlich-rechtlichen Dienstleisters. Dabei zählen auch für ihn nur die Profite.
D er Strommarkt funktioniert nicht, das hat nun mal wieder eine Studie belegt. Doch warum funktioniert er nicht? Ein Markt benötigt auf beiden Seiten Akteure, die marktwirtschaftlich handeln - auf der einen Seite die Kunden, auf der anderen die Anbieter. Verweigert sich nur eine der beiden Gruppen kollektiv, kann das ganze Spiel nicht funktionieren.
Und welche Seite dies im Fall des Strommarktes ist, ist eindeutig: Es sind die Kunden, die sich mehrheitlich vom Marktgeschehen fernhalten. Nach Zahlen des Branchenverbandes beziehen noch immer fast 80 Prozent aller Haushalte ihren Strom in alter Tradition von ihrem örtlichen Grundversorger. Wie, bitte schön, soll da ein vernünftiger Markt in die Gänge kommen?
Freilich hat die Trägheit der Kunden ihren Grund. Dahinter steckt ein über Jahrzehnte tradiertes Bild vom Stromversorger, das diesen als eine Art öffentlich-rechtlichen Dienstleister zeichnet. Obwohl der Versorger das natürlich längst nicht mehr ist, besteht das Bild in vielen Köpfen fort.
Und solange das der Fall ist, werden die großen Stromkonzerne auch weiterhin Preispolitik nach Gutsherrenart machen können. Nehmen wir den aktuellen Grundtarif von RWE: In einem funktionierenden Wettbewerb würde kein Mensch diesen Preis bezahlen. Denn nicht nur alle vier unabhängigen Ökostromanbieter sind längst billiger, sondern auch viele andere Stromhändler.
Nun gibt es gleichwohl Gründe, auch die Stromkonzerne wegen nicht marktgerechten Verhaltens zu kritisieren. Doch diese betreffen andere Sparten der Wertschöpfung, etwa die Art und Weise der Stromerzeugung, die noch immer weitgehend oligopolistischen Strukturen unterliegt. Im Vertrieb - und um den geht es hier - verhalten sich die Konzerne durchaus nach den Regeln des freien Marktes: Sie kitzeln aus dem Kunden raus, was möglich ist, solange der nicht die Flucht ergreift. Wettbewerbswidrig ist das nicht.
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