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Kommentar Stromnetz-StudieAkzeptanz aufs Spiel gesetzt

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Wer Ökostrom bezieht, nimmt neue Trassen in Kauf. Nicht aber, wenn diese Kohle oder Atom ermöglichen sollen. Die Vermischung beider Gründe ist gefährlich.

D as könnte nach hinten losgehen. In ihrer aktuellen Studie fordert die Deutsche Energieagentur (Dena) zwar einen massiven Ausbau der Stromnetze. Doch erreichen könnte sie das Gegenteil. Denn die Studie argumentiert nicht ehrlich. Begründet wird der gewaltige Bedarf - 3.600 Kilometer Hochspannungsleitungen sollen durchs Land gezogen werden - vor allem mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien: Weil diese unstetig und oft weitab von Ballungszentren produziert werden, sind neue Trassen tatsächlich unumgänglich.

Ein erheblicher Teil des prognostizierten Bedarfs entsteht aber nicht durch den zunehmenden Strom aus Wind und Sonne, sondern durch die widersprüchliche Energiepolitik der Regierung. Die will einerseits erneuerbare Energien fördern, andererseits aber neue Kohlekraftwerke bauen und alte Atomkraftwerke am Netz lassen. Auch das dadurch entstehende Überangebot an Strom ist für die Engpässe im Netz verantwortlich. Wenn AKWs an der Küste weiterlaufen, können die bestehenden Nord-Süd-Trassen eben nicht für Windstrom aus der Nordsee genutzt werden.

Auch wenn die direkten Anlieger nie begeistert sind, werden neue Leitungen insgesamt akzeptiert, wenn sie dem Ausbau von Ökoenergie dienen - nicht aber, wenn sie Kohle oder Atom ermöglichen sollen. Die Vermischung der beiden Gründe gefährdet damit die Akzeptanz.

Bild: taz

Malte Kreutzfeldt leitet das taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt

Möglicherweise ist das sogar der Sinn der Sache. Wenn der Bedarf möglichst hochgerechnet und die Akzeptanzproblematik in den Mittelpunkt gestellt wird, erscheint der Netzausbau als kaum lösbare Aufgabe. Damit hätten Regierung und Konzerne als Auftraggeber der Studie ein neues Argument, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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5 Kommentare

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  • T
    Top-Klient

    Mal wieder ein klassisches Auftragswerk der Marke DeNa, ganz im Sinne von Christian Kohlers Freunden in den Stromkonzernen. Denn die wollen ja genau das was dort prognostiziert wird: Mehr Braunkohlekraftwerke (sogar netto!), mehr Konzerneigene Offshore-Windkraft, möglichst viel Atomstrom und möglichst wenig Gas (böse Russen!) und möglichst wenig Photovoltaik. Dass dezentrale Lösungen mit regionalen Speichern nix taugen ist natürlich so klar, dass das gar nicht erst begründet wurde (und dass die Langfassung nie an die Öffentlichkeit kommt wäre bei der Dena nicht das erste mal). Und damit auch ja genug Strom verbraucht wird gehören natürlich auch die guten alten Nachstromspeicherheitzungen mit ins Sortiment der klugen Lösungen.

     

    Für eine ernsthafte Energiewende sollte bald auch ein besonders hartnäckiges Hindernis beseitigt werden: Die DeNa.

  • S
    Sponnti

    Ich freue mich immer wieder über ein neues Kapitel aus "Maltes Welt". Leider ist das Lied von der angeblichen Verstopfung der Netze durch Kohle- und Atomstrom aber sehr alt und gewinnt durch Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt. Laut Erneuerbare-Energien-Gesetz hat Windkraft Vorfahrt bei der Einspeisung. Tatsache ist doch, dass man die Kraftwerke weiter als Reserve benötigt, wenn kein Wind weht. Deshalb kann man sie nicht einfach stillegen. Süddeutschland hat selbst genügend Kraftwerke und benötigt den Windstrom aus dem Norden nicht wirklich. Zur Sicherung der Versorgung sind die aktuell vorhandenen Leitungen ausreichend. Sie sind so dimensioniert, dass der Ausfall einzelner Kraftwerke im Süden oder Norden ausgeglichen werden kann. Der Ausbau wird nur dadurch notwendig, dass der Norden seinen Strom bei starkem Wind gar nicht mehr allein verbrauchen kann, denn hier geht es nicht um die Leistung einer handvoll Kraftwerke. In Deutschland ist so viel Windkraft installiert, dass bei entsprechenden Windstärken mehr Leistung abgegeben wird als alle 17 Kernkraftwerke zusammen das tun können. Und wenn der Ausbau der Photovoltaik so voranschreitet wie in diesem Jahr, wird sie 2011 ebenfalls so groß sein. Außerdem soll sich die Leistung der Windkraft durch Anlagen in der Nordsee in den nächsten 15 Jahren noch verdopppeln. Die Realität zu verweigern hilft nicht mehr.

  • O
    OPS

    Uninformiert. Untechnisch.

     

    Neue Stromleitungen werden gebraucht.

    Und das schon seit Jahren.

    Das ist nichts Neues!

    Bereits bei der Liberalisierung des Strommarktes 1998 haben Experten gewarnt, es stünden nicht die Leitungen für einen freien Energiemarkt zur Verfügung. Der Ausbau neuer Leitungen würde noch Jahrzehnte dauern warnten Experten. Dennoch hat Schwarz-Gelb damals den Markt liberalisiert.

    Selbst ohne Erneuerbare Energien müssten die Kapazitäten ausgebaut werden.

     

    An der Nordsee werden jetzt gewaltige Strommengen im Meer erzeugt. Nur dort werden die gar nicht verbraucht! Der Strom muss nach Süden. Auch sonst werden überall im Land Stromlieferanten aufgebaut die mit Wind und Sonne unsteten Strom liefern. Auch der muss ins Netz gespeist werden. Bevor man die Erneuerbaren Energien massenhaft ausbaue müsse man die Netze ausbauen warnten die Experten damals die rot-grüne Regierung vor dem EE-Gesetz. Dennoch wurde das Gesetz verabschiedet und der Druck auf die bestehenden Netze erhöht.

     

    Zwei politisch entgegengesetzte Regierungen haben mit völlig unterschiedlichen Schritten die Belastung auf die Netze stark erhöht. Seit dem gab es aber kaum einen Netzausbau, weil dies hohe Kosten verursacht. Und gewinnorientierte Unternehmen scheuen hohe Kosten. Vor allem wenn sie wissen dass die Öffentlichkeit die damit verbundene Erhöhung ihrer Preise mit schlechter Presse bestraft.

     

    Ebenso träumen Grüne von einem weltweiten Europäischen Verbundnetz, in dem man überschüssige Sonnenenergie aus Spanien in Skandinavischen Stauseen speichert. Die Übertragungswege die für DIESE kühnen Pläne gebraucht würden, sind noch um ein vielfaches größer und teurer als die jetzt nötigen Leitungen.

     

    Mit welchem technischen Sachverstand, stellen sich eigentlich Journalisten und Umweltschützer gegen die Meinung von Ingenieuren und anderen Experten, die das Jahre lang studiert haben, jahrelange Erfahrung und täglich damit arbeiten?

    Wir Ingenieure sagen den Umweltschützern doch auch nicht wie die Umwelt zu schützen haben, aber die quatschen uns andauernd in unseren Job von dem sie keine Ahnung haben!

     

    Sowohl der Liberalisierte Markt erhöht den Druck auf das Stromnetz als auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das ist technische Tatsache. Das ist nicht mal unbedingt ein Argument gegen Liberalisierten Markt oder Erneuerbare Energien. Es ist einfach eine technische Tatsache!

    Auch für Umweltschützer und Erneuerbare Energien gilt grundlegende Physik!

  • B
    Boot

    Ist es wirklich so: Anwohner akzeptieren, dass zukünftig Elektrosmog in Form von Hochspannungsleitungen über ihrem Hausdach liegt, weil es einer übergeordneten größeren Sache, dem Ausbau von Ökostrom, dient? Wenn dem so ist, wäre es gut, wenn der Autor solche Aussagen belegen würde oder es so schreibt, dass er glaubt dass es so wäre, also es nicht als vermeintliche Tatsache in seinen Kommentar aufnimmt.

    Ich glaube jedenfalls: die Menschen sind eher bereit etwas mehr für ihren Strom zu bezahlen wenn dafür Erdkabel verlegt werden statt Hochspannungsleitungen zu bauen.

  • E
    Energiewende

    Die Politik kritisiert die rund 20 bis 30 Milliarden Euro welche notwendig wären, wenn man die Leitungen in die Erde verlegt und somit den Bedenken der Bevölkerung Rechnung trägt.

    Was die Politik nicht sagt: allein die Subventionen welche für den 2010 erfolgten Bau von Solarstromanlagen erfolgen betragen nach Berechnungen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes ebenfalls rund 20 bis 30 Milliarden Euro. Das heißt: sämtliche Mehrkosten für die Erdverlegung sind auch nicht höher als die Kosten die allein für den Solarzubau eines Jahres anfallen. Nächstes Jahr dürften trotz der Absenkung dre Solarvergütung wieder 20 bis 30 Milliarden Euro anfallen.

    Der Politik geht es somit nicht um den Schutz der Bevölkerung vor den Kosten, sondern sie hat andere Motive warum die Freileitungen präferiert. Wahrscheinlich sind diese leichter zu planen. Ein Mast ist halt schneller aufgestellt als eine Schneise gegraben. Das sollte aber nicht das Argument sein. Mit beschleunigten Genehmigungsverfahren hat man auch Erdleitungen wahrscheinlich schnell verlegt.

    Die Kosten für die Erdverlegung sind auf alle Fälle gut zu verkraften, wenn man schaut wieviel Geld für andere Bausteine des Umstiegs auf erneuerbare Energien ausgegeben wird.