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Kommentar Streit über die „Obergrenze“Lästig und gefährlich

Horst Seehofer muss Stärke demonstrieren, um seinen Machtanspruch zu untermauern. Wie weit wird er dafür wohl noch gehen?

Das Unbehagen gegenüber dem Ingolstädter Egomanen wächst Foto: dpa

M an ahnte es gleich am Wahlabend: Dieses Ergebnis gibt Stress in der Union. Und genauso ist es nun gekommen. Bevor Merkel die Vertreter von Grünen und Liberalen auch nur zu ersten Sondierungsgesprächen treffen könnte, muss sie sich erst mal ausgiebig mit Horst Seehofer zanken.

Das gestaltet sich schwierig. Denn es geht, mal wieder, um eine „Obergrenze“ für Geflüchtete. Die wäre grundgesetzwidrig. Aber derlei ficht Seehofer nicht an. Er hat diese Billigvokabel, die die Belange von mit Folter und Tod bedrohten Menschen nicht einmal ansatzweise umreißen könnte, zu seinem persönlichen Fetisch erhoben.

In der Sache agiert Seehofer unkalkulierbar und hoch aggressiv. Noch vor seinem Termin im Kanzleramt hat er Merkel die Waffen präsentiert, indem er halböffentlich sagte, CDU und CSU stünden vor ihren „schwersten Gesprächen seit Kreuth 1976“. Damals hatte die CSU-Landesgruppe die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufgekündigt. Vier Wochen später tat man sich zwar wieder zusammen – aber mehr Krise war nie wieder.

Nun also, im Herbst 2017, beschwört Horst Seehofer wieder einmal den „Geist von Kreuth“. Es ist die Rhetorik eines Angeschlagenen. Nächstes Jahr im Herbst wählen die Bayern einen neuen Landtag. Seehofer, der bis dahin eigentlich Platz für Jüngere gemacht haben wollte, tritt doch wieder an.

Merkel soll liefern

Nun, nach dem desaströsen Wahlergebnis im Bund, wittern seine Widersacher Morgenluft. Um seinen Machtanspruch untermauern zu können, muss der Ministerpräsident deshalb Stärke demonstrieren. Merkel soll liefern. Setzt er sich nicht durch, ist die Personaldebatte beim CSU-Parteitag Mitte November nicht mehr zu unterdrücken.

Man weiß um diese Zusammenhänge. Und doch wächst das Unbehagen, je lautstärker Seehofer seine Befindlichkeiten zur Staatsangelegenheit hochjazzt. Ist das noch Realpolitik? Nicht auszuschließen, dass der Ingolstädter Egomane Jamaika für sein eigenes Fortkommen opfert. Hauptsache, seine CSU regiert weiter alleine Bayern und der Vorsitzende heißt Horst. Der Freistaat als Beute – eine grauslige Vorstellung.

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3 Kommentare

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  • Die Forderung nach einer konkreten Obergrenze (unausgesprochen: Auch für Asylberechtigte) ist die Reaktion auf den politisch, fiskalisch und administrativ absurden und verfassungsrechtlich zweifelhaften (die Verfassung kann man übrigens andern!) Satz, das Recht auf Asyl kenne keine Obergrenze. Das kann offenbar keine Leitlinie der Migrationspolitik sein. Unabhängig davon, ob eine solche Obergrenze derzeit konkret fest gelegt werden muss oder überschritten ist - DARÜBER ließe sich streiten. Die Kompromisslinie könnte hier lauten: Die Regierungsparteien sind sich einig, dass viel für das Willkommen und die Integration getan und investiert werden muss und (selbstverständlich) Integrationskraft des Landes begrenzt ist. Sie sind sich einig, dass die deutschen Außengrenzen geschützt werden müssen, wenn es wieder zu einer "Situation wie 2015" kommt und einigen sich schon jetzt auf mögliche, konkrete Maßnahmen, die hoffentlich nie erforderlich werden. Sie sind sich einig, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Obergrenze zu schaffen, sofern die weitere Entwicklung dies erforderlich macht, was es dringend zu vermeiden gilt

  • Seehofer ist ein Getriebener. Obwohl er seinem Wahlvolk vor über einem Jahr in markigen Tönen die 'Obergrenze' versprochen hatte, wagte er im Wahlkampf mit wohl vonseiten der CDU eingeforderter Rücksicht auf Merkel schon nicht mehr, diese weiterhin offensiv zu vertreten. Seine plötzliche Versöhnung mit Merkel im Februar dieses Jahres hat ihm ein Großteil der Wähler in Bayern schon nicht mehr abgenommen. Die AfD plakatierte im Wahlkampf in Bayern 'Die AfD hält, was die CSU verspricht'. Der Verlust von über 10% an Wählerstimmen bei der BT-Wahl hat Seehofer und die gesamte CSU tief ins Mark getroffen. Die CSU wird alles daran setzen, in Bayern wieder die absolute Mehrheit zu erreichen. So kann es tatsächlich passieren, dass Jamaica daran scheitern wird.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Vielleicht auch nicht.

      Die Grünen sind doch sehr flexibel.

      Hauptsache Ministerposten.

      Dazu schrieb die TAZ heute einen guten Beitrag. Ich fürchte, der wird sich bewahrheiten.