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Kommentar Streik bei „Zeit Online“Guter Journalismus kostet Geld

Anne Fromm
Kommentar von Anne Fromm

Die Zeit-Onliner wollen Anfang April streiken. Eine wichtige Entscheidung, die weit über die kleine Berliner Redaktion hinaus Bedeutung haben kann.

Die Mitarbeiter wollen mehr Geld Screenshot: taz

D ie Mitarbeiter von Zeit Online wollen streiken. Dafür hat sich die Mehrheit der Berliner Redaktion vor Ostern ausgesprochen. Sie fordern die gleichen Gehälter und Vertragskonditionen wie ihre Printkollegen. Ihre Entscheidung ist wichtig und geht über die Berliner Redaktion hinaus. Denn obwohl die Onlineableger von vielen Zeitungen und Magazinen heute meist mehr Menschen erreichen als ihre gedruckten Ausgaben, verdienen diejenigen, die den Onlinejournalismus machen, in den meisten Fällen noch immer weniger als ihre Printkollegen.

Das Verlagshaus der Zeit rühmt sich damit, wie gut Print und Online mittlerweile zusammen arbeiten. Zeit Online-Redakteure schreiben zunehmend für das Blatt und anders herum. Erst vor knapp zwei Monaten bekamen beide Redaktionen viel Aufmerksamkeit für eine gemeinsame Recherche zu Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime. Und schon bald sollen sich das Hauptstadtredaktion der Zeit und die Redaktion von Zeit Online ein Büro teilen. Sie sitzen dann Tür an Tür, verdienen aber unterschiedlich.

Es ist deshalb nur verständlich, dass die Onliner wie die Kollegen der gedruckten Ausgabe bezahlt werden wollen. Zumal es dem Zeit-Verlag gut geht und die Gewinne steigen. Wenn also sowohl Zeit als auch Zeit Online den Erfolg der Marke stärken, wieso profitieren dann nicht beide auch von dem selben Gewinntopf?

Weil Zeit Online bis vor Kurzem noch defizitär war, argumentiert die Verlagsspitze. Höhere Gehälter könne man sich nicht leisten. Das ist Unsinn. Und doch bietet der Streik die Möglichkeit, etwas grundsätzlicher zu werden und sich Gedanken zu machen über die Finanzierung von Journalismus in digitalen Zeiten. Denn trotz ihres Erfolges werfen viele Onlineangebote bisher kaum Gewinne ab. Anzeigen im Internet bringen weniger Geld ein als in einer gedruckten Zeitung. Neuen Werbeformen wie Native Advertising stehen viele Verlage skeptisch gegenüber.

Vor Bezahlschranken schrecken sie zurück, weil nur wenig Leser bereit sind, für Onlinejournalismus regelmäßig Geld zu zahlen. Aber guter Journalismus kostet. Und solange keine vernünftigen Finanzierungsmodelle für Online gefunden sind, werden es Onliner schwer haben mit ihrer berechtigten Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Wer sich also ärgert über geizige Verlage, sollte sich auch selbst befragen: Was bin ich bereit, für guten Journalismus zu bezahlen?

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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4 Kommentare

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  • Mag jetzt naiv klingen, aber haben sich irgendwelche Onlinejournalisten schonmal überlegt wie sie schwarze Zahlen schreiben könnten, wenn alle Werbung verboten wäre?

    • @TV:

      Wer möchte denn Werbung verbieten? Im Artikel lese ich nur etwas von Skepsis bezüglich Native Ads. Hier sehen Werbeanzeigen wie redaktionelle Beiträge aus, so dass Leser nur schwer unterscheiden können. Empfinde ich persönlich als unseriös.

       

      Und ja, auch mir ist klar, dass Onlineangebote Geld verdienen müssen. Aber dafür die Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen?

  • Wer Native Advertising betreibt macht keinen guten Journalismus.

     

    Journalismus hat häufig das Problem das er leider sehr austauschbar ist. Es gibt einfach zuviel davon um einen vernünftigen Preis dafür zu erzielen.

     

    Hinzu kommt natürlich auch, daß Sendungsbewusstsein vieler Journalisten deren eigene Meinung/Haltung viel zu stark in ihre Artikel einfließt. Seriösität, nüchterne Betrachtung und Unaufgeregtheit findet man nur selten, schaut man sich das Gesamtangebot von Journalistischen Angeboten an.

  • Danke für diesen beiden Sätze, liebe Kollegin: "Wer sich also ärgert über geizige Verlage, sollte sich auch selbst befragen: Was bin ich bereit, für guten Journalismus zu bezahlen?"

     

    Nicht immer auf die "bösen" anderen schauen, sondern auch mal vor der eigenen Haustür kehren. Bin ich bereit, für einen tollen Online-Artikel, der mir neue Sichtweisen etc. eröffnet hat, mal einen Euro zu bezahlen oder klicke ich mich einfach weiter zur nächsten Seite?

     

    Wie die taz setze ich bei meinen beiden Blogs (Medienblog http://www.der-freigeber.de und Öko-Blog http://www.brehl-backt.de) ganz bewusst auf freiwilliges Bezahlen, damit alle Leser vollen Zugriff haben. Aus meinem direkten Umfeld kenne ich ein interessantes Phänomen: Wer knapp bei Kasse ist, zahlt eher freiwillig, als diejenigen, die es sich locker leisten könnten. Spannend, oder?

     

    Aus meiner Sicht sind Verlage bei Native Ads aus gutem Grund skeptisch: Werbung, die wie ein redaktioneller Beitrag aussieht, untergräbt in meinen Augen die Glaubwürdigkeit des Mediums.