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Kommentar Strauss-KahnIm Zweifel für den Angeklagten

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Dass der Staatsanwalt die Anklage gegen Strauss-Kahn zurückgenommen hat, ist keine Entscheidung gegen eine schwarze, arme Frau. Es war die Summe der Zweifel.

D ie Entscheidung ist nachvollziehbar und plausibel. Die Staatsanwaltschaft von Manhattan hat beantragt, das Vergewaltigungsverfahren gegen Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn einzustellen. Es gebe zu viele Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers.

Die Entscheidung bedeutet nicht, dass einer schwarzen und armen Frau weniger geglaubt wird als einem weißen, reichen Mann. Sie bedeutet auch nicht, dass einer Frau, die sich bei der Schilderung von Details des Geschehens in Widersprüche verwickelt, der Kern der Vorwürfe ebenfalls nicht geglaubt wird. Die Einstellung bedeutet erst recht nicht, dass eine Frau, die früher einmal gelogen hat, später straflos vergewaltigt werden kann.

Bei der Hotelangestellten kam nun aber einfach zu viel zusammen: Sie hat im Asylantrag eine Massenvergewaltigung erfunden, bei der Sozialbehörde ein falsches Einkommen angegeben und bei der Steuerbehörde ein Kind erfunden. Sie hatte Kontakte zu Kriminellen, die ihr Konto und ihre Mobiltelefone benutzten. Sie sprach wohl mit ihrem Verlobten darüber, wie man aus dem Vorfall finanzielle Vorteile ziehen könnte.

Bild: taz
CHRISTIAN RATH

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz und lebt in Freiburg.

Kein Punkt allein würde genügen, die Anklage gegen Strauss-Kahn infrage zustellen. Aber alle Punkte zusammen erzeugen doch so starke Zweifel, dass eine Anklage nicht zu halten ist. Und dann ist es auch richtig, das Verfahren einzustellen. Für Staatsanwalt Cyrus Vance jr. war der Antrag auf Rücknahme der Anklage sicher nicht der bequemste Weg.

Er hatte sich zunächst anders festgelegt, gegen den Ausländer, den Franzosen. Gewählt wird der Staatsanwalt von Manhattan aber von der Bevölkerung, also vielen Schwarzen und noch mehr Frauen. Die Beweislage muss auch Vance nachhaltig erschüttert haben.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • I
    Irene

    Ein Promi, eine Frau die gelogen hat, "Im Zweifel für den Angeklagten".

    Richtig spassig ist es, in diesem Zusammenhang nochmal die Kommentare zum Fall Kachelmann zu lesen.

  • R
    Roman

    Leider scheint der Artikel die hinter der Entscheidung liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse systematisch auszublenden. Eine Bewertung der Entscheidung des Staatsanwaltes ist hier vollkommen sekundär. Und selbst hier müssen Zweifel angemeldet werden, ob die Glaubwürdigkeit eines Opfers anhand der angeführten Beschuldigungen wirklich nichts mehr wert ist. Viel wichtiger sind jedoch die im Prozess zur Schau gestellten gesellschaftliche Machtasymmetrien. DSK, einem der mächtigsten Männer der Welt, wird vorgeworfen eine Frau vergewaltigt zu haben, die als Reinigungsangestellte in einem Hotel tätig ist. Nach dem Vorwurf werden von DSK alle Mitteln in Gang gesetzt, um das Opfer zu verunglimpfen und öffentlich in den Dreck zu ziehen. Nafissatou Diallo hatte in diesem Prozess somit von Anfang an schlechtere Karten. Eine ähnliche Finanzstärke und eine ähnliche Recherche in DSKs Leben hätten wohl zu einem anderen Urteil geführt. Grund genug für eine kritische Behandlung des ganzen Prozesses. Für den Autor des Artikels scheinen diese Faktoren aber keine Rolle zu spielen. Schade!

  • S
    sixeck

    Die im Artikel verwerteten Informationen zu Falschaussagen des angeblichen Vergewaltigungsopfers sind dem 25-seitigen Einstellungsantrag der New Yorker Staatsanwaltschaft zu entnehmen (nachzulesen z. B. auf der Webseite der New York Times), in dem das inkonsistente Aussageverhalten der Frau eingehend gewürdigt wird. Dass es sich bei der angeblich erlittenen Massenvergewaltigung, die im Asylverfahren und im Ermittlungsverfahren behauptet wurde, um eine Lüge gehandelt hat, hat die Anzeigeerstatterin selbst eingeräumt. Das gleiche gilt für eine Vielzahl anderer Falschbehauptungen.

  • IW
    Idamals wars

    Es war doch von Anfang an klar, das es der Frau nur um das Geld ging.

     

    Daher ein großes Lob an den Autor, das er das so freundlich umschrieben hat.

     

    Traurig für die Frauen, die tatsächlich vergewaltigt werden. Aber es gibt überall weiße Schafe.

  • L
    Ludwig

    Interessant, dass die taz weiß, dass die Anklägerin "eine Massenvergewaltigung erfunden" habe. Ich habe die Debatte ausführlich verfolgt, und ich frage mich, wie der Autor zu dieser "Information" kommt. Wahrscheinlich genauso, wie er "weiß", dass es gar keine Entscheidung gegen eine schwarze, arme Frau war. Der ganze Kommentar ist reine Behauptung, die durch nichts gestützt wird außer Falschinformation und tendenziöse Berichterstattung. Aber am absurdesten ist die Behauptung, dass der Staatsanwalt nicht antifeministisch und rassistisch sein kann, weil er doch demokratisch gewählt wurde.