Kommentar Störfall im AKW Fessenheim: Atomknast Europa
Europas Atompolitik grenzt an fahrlässige Tötung. Jeder Staat darf weiter vor sich hinpfuschen. Das ist am Ende eine politische Entscheidung.
S ollte es einen Atomunfall in Frankreich geben, müssten Präsident François Hollande oder Umweltministerin Ségolène Royal dann mit einer Haftstrafe rechnen? Vermutlich nicht. Aber eine solche Regelung wäre eine Idee: Wenn sich die Verantwortlichen einer Harakiri-Atompolitik nicht hinter einem Urwald an Kommissionen und Atomaufsichtsbehörden verstecken könnten – vielleicht würden sie umdenken.
In dieser Woche jährt sich Fukushima zum fünften Mal, und die traurige Wahrheit lautet: Das nächste Atomunglück ist statistisch gesehen nur eine Frage der Zeit. Die Technologie hat oft gezeigt, dass sie weder administrativ noch technisch beherrschbar ist.
Dass es Europa trifft, dafür spricht die pure Kausalität. Hier steht Atomschrott in der Landschaft. Erst vergangene Woche kam ans Licht, dass es im französischen Atomkraftwerk Fessenheim unmittelbar an der deutschen Grenze 2014 einen Störfall gab, bei dem der Reaktor kurze Zeit außer Kontrolle war.
Weitere Beispiele: Im belgischen Doel steht ein AKW mit Tausenden Haarrissen im Reaktordruckbehälter. Die Meiler im slowakischen Bohunice und im tschechischen Dukovany haben nicht einmal einen Sicherheitsbehälter um den Reaktor, der austretende Strahlung zurückhalten könnte. Ein solches „Containment“ gab es sogar in Fukushima.
Europas Atompolitik grenzt an fahrlässige Tötung. Jeder Staat darf weiter vor sich hin pfuschen. Das ist am Ende eine politische Entscheidung. Sie wird von Ministern und Regierungschefs getroffen. Wenn die, wie Hollande oder Royal, alle Warnungen ignorieren, dann müssen sie im Ernstfall persönlich haftbar sein.
Und die deutsche Kanzlerin? Die strickt an der Legende, ihr naturwissenschaftlicher Sachverstand habe sie zum Atomausstieg bewogen. Rein naturwissenschaftlich gesehen, Frau Merkel, müssten Sie sich in Fessenheim und Doel an die Hofeinfahrt ketten, bis die Dinger abgeschaltet sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“