Kommentar Steuersenkungspläne: Eine Partei sucht ihr Profil

Die FDP kommt schon wieder mit dem Versprechen, Geringverdiener steuerlich zu entlasten. Vermutlich ist das nur ein Versuch, vom Euro-Gipfel abzulenken.

Nicht schon wieder! Es ist erstaunlich, wie wenig lernfähig die FDP ist. Jetzt kommt sie erneut mit dem Versprechen, dass sie die "kleinen Einkommen" bei der Steuer entlasten wolle. Diesmal soll die "kalte Progression" korrigiert werden.

Die kalte Progression ist tatsächlich ein kleines Ärgernis. Dahinter verbirgt sich das Phänomen, dass die Steuertarife nicht regelmäßig an die Inflation angepasst werden. Also können Steuerzahler in einen höheren Tarif rutschen, obwohl sie real nicht mehr verdienen. Allerdings muss man sehr misstrauisch werden, wenn ausgerechnet die FDP anfängt, sich um die kleinen Einkommen zu sorgen. Denn bisher liefen alle Steuervorschläge der Liberalen darauf hinaus, dass die Spitzenverdiener profitieren.

So dürfte es wieder kommen. Wahrscheinlich wird die Regierung auf den Gedanken verfallen, die Freibeträge beim Solizuschlag zu erhöhen, weil dort nicht der von der Opposition dominierte Bundesrat zustimmen muss. Höhere Freigrenzen - das klingt sozial. Doch viele Steuerzahler werden davon gar nichts haben, weil sie schon jetzt unter den Freigrenzen bleiben.

Bemerkenswert ist daher vor allem der Zeitpunkt, zu dem das neue Steuerprojekt öffentlich wurde. Bekanntlich findet am Wochenende ein Eurogipfel statt. Und wahrscheinlich wollte die Regierung diesem Treffen ein wenig an Dramatik nehmen, indem sie signalisiert, dass sie sich noch um andere Themen kümmert. Die Kanzlerin ist seit Tagen bemüht, die Erwartungen an das Treffen zu dämpfen.

Der Gipfel erinnert auch daran, dass die FDP mit ihrem Anti-Euro-Kurs an den Berliner Wählern gescheitert ist. Die Liberalen benötigen dringend ein neues Profil. Wenig ermutigend, dass ihnen dabei nur ihr altes einfällt - als Steuersenkungspartei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.