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Kommentar Stereotype über FußballprofisGar nicht mal so blöd

Kommentar von Johannes Kopp

Seit der Freiburg-Stürmer Nils Petersen gesagt hat, er fühle sich intellektuell unterfordert, kocht die Klischeeküche. Zu Unrecht.

Studiert übrigens BWL: der Freiburger Stürmer Nils Petersen. Foto: reuters

F ußballprofis haben es verdammt schwer – das ist ein Satz, der eigentlich allen vorbehalten ist, die gern Ironie markieren wollen. Achtung, jetzt wird es lustig! Aber an dieser Stelle ist dieser Satz verdammt ernst und sogar wertschätzend gemeint. Unerträglich muss es sein, sich ständig mit der Dummheit der Welt herumschlagen zu müssen.

Denn der normale Fußballprofi gilt als doof. Wie das Gesetz der Schwerkraft zählt dies zum gesicherten Wissen. Auch zum Allgemeinwissen zählt, dass man den Urheber des Satzes „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“ benennen kann. Outet sich hingegen mal ein Profifußballer als Romanleser und Museumsbesucher, dann wird er vorgeführt wie ein Zirkuslöwe, der Klavier spielen kann.

In den vergangenen Tagen hat sich also schon wieder so eine Diskussion um die angebliche Doofheit der hauptberuflichen Fußballer entsponnen. Auslöser war der Freiburger Profi Nils Petersen, der sich in einem Focus-Interview zur intellektuellen Unterforderung in seinem Beruf geäußert hat. Die Häme der ganzen Nation war ihm damit gewiss.

Haufenweise Bücher und Museumskarten wurden ihm zugeschickt. Und als Petersen maßgeblich dafür sorgte, dass Köln trotz eines 3:0-Vorsprungs gegen Freiburg verlor, titelte die Bild: „Köln zu blöd für Petersen“. Obendrein entdeckte die Berliner Zeitung auch noch eine Studie, nach der die Profis im deutschen Fußball größtenteils unqualifiziert sind, um nach ihrer Karriere im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Die dämliche Debatte über die intellektuelle Dürftigkeit der Profikicker will gar kein Ende nehmen. Und Kronzeuge Petersen wird immer wieder ins Kreuzverhör genommen. Dabei stellte sich heraus, dass der Freiburger Stürmer nebenbei BWL studiert. Den Ermittlungseifer der Blödheitsforscher hat das nicht im mindesten ausgebremst, ebensowenig wie der Umstand, dass mittlerweile zwei Drittel der Profis Abitur haben.

Outet sich mal ein Profifußballer als Romanleser und Museumsbesucher, dann wird er vorgeführt wie ein Zirkuslöwe, der Klavier spielen kann

Es mag wie überall auch unter den Fußballern Begriffsstutzigere geben. Die eigentliche Frage von Interesse ist jedoch: Aus welchem Grund erwarten wir denn Intelligenz, Belesenheit und rhetorische Versiertheit von einem Fußballprofi? Welcher Anspruch steckt dahinter? Warum wird das nicht auch von Straßenbahnfahrern, Physiotherapeuten und Sachbearbeitern auf den Behörden eingefordert?

Übrigens: Von Nationalspieler Sami Khedira mal abgesehen hat sich keiner der Fußballprofis bislang auf diese sinnlose Debatte eingelassen. Das ist verdammt klug.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • "Wieso hat die taz eigentlich keine Blaublut-Rubrik?"

     

    Mutmaßlich weil der deutsche Adel kein Teil des allgemeinen Kulturbetriebes für Millionen Anhänger ist. Der Fußball schon, auch wenn sie offensichtlich nicht viel von dessen Fans zu halten scheinen.

  • Das sind doch alles Personen des öffentlichen Lebens, da ist keine Debatte zu blöd und auch nicht mit Alltagsberufen zu vergleichen, wie der Autor sie ziehen möchte.

     

    Vielleicht fällt es der Fankultur leichter, Fußballprofis als Proleten zu akzeptieren. Würden sie als junge, gut ausgebildete und irre reiche Männer wahrgenommen, was bliebe da noch von dem schönen Glanz eines Fabrikarbeiters, der Halbtags für die Bundesliga spielt? Darum wird ja auch dieser Fußballverein aus Leipizig angefeindet, weil er vorführt, das der Profifußball ein Geschäft ist. Aber das lässt natürlich sofort die hübsche Romantik verfließen. Wirklich unangenehm für all die Traditionsvereine, oder wie sich der Rest so bezeichnet.

     

    Kurios genug, dass sich überregionale Tageszeitungen mit Fußball auseinandersetzen. Derlei kann ruhig den Boulevardblättern überlassen werden. Wieso hat die taz eigentlich keine Blaublut-Rubrik? Das könnte ich noch etwas besser nachvollziehen.