Kommentar Springers Türkei-Kampagne: Moralisch gewinnen? Nö!
Springer-Chef Döpfner fordert DAX-Unternehmen auf, in der Türkei für die Freilassung der zu Unrecht Inhaftierten zu weben. Die wollen nur nicht mitmachen.
E ines muss man den Bossen der großen deutschen Wirtschaftskonzerne lassen: Sie wissen um die Tradition ihrer Unternehmen. Denn egal ob Volkswagen und die Unterstützung der Militärdiktatur in Brasilien, oder Bayer – respektive Schering – und die Medikamententests in der DDR, oder, oder, oder, bei Deals mit Diktatoren und Despoten sind deutsche Firmen gern vorn dabei.
Und so verwundert es wenig, dass die Mehrheit der 30 DAX-Unternehmen keine Anzeige in türkischen Medien schalten will, die für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und die Freilassung der „zu Unrecht Inhaftierten“ wirbt. Moral? Was damals schlecht war, kann heute nicht gut sein.
Ja, der Weg, den Springer und deren Chef Döpfner wählten, mag ungewöhnlich gewesen sein: Dass er einen persönlichen Brief schreibt, dessen Inhalt bald darauf in den Medien kursiert, dass er nicht mal bei den Konzernen vorfühlte, wie ein ungenannter Unternehmensvertreter in der Wirtschaftswoche kritisiert – einige Firmenchefs mögen sich da erpresst gefühlt haben.
Döpfner muss ja gewusst haben, dass er durch diese Aktion nur gewinnen kann. Doch die 30 DAX-Unternehmen hätten ausnahmsweise auch mal zu den moralischen Gewinnern gehören können. Aber: Nö.
Springer hat von der Idee Abstand genommen, in der Türkei Anzeigen zu schalten, um für Solidarität mit den vielen inhaftierten Deutschen, darunter der Welt-Korrespondent Deniz Yücel, zu werben. Die Idee könne „leider kurzfristig nicht realisiert werden“, sagte Springer-Sprecherin Edda Fels. In den letzten Wochen hatte Vorstandschef Mathias Döpfner in einem Brief an die Chefs der DAX30-Unternehmen für eine Anzeige geworben. Die Botschaft: „Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung von Grundrechten und Pressefreiheit sind essenziell für den Standort Türkei. Fehlen diese demokratischen Grundlagen, leidet die Wirtschaft.“ Leider gebe es aber in der deutschen Wirtschaft keine Mehrheit für ein solches Vorgehen, zitiert die Welt Sprecherin Fels. (taz)
Seit Monaten werben Oppositionspolitiker, Verbände und Freunde der Inhaftierten dafür, dass die Bundesregierung endlich den wirtschaftlichen Druck auf die Türkei erhöhen möge. Doch was passiert? So gut wie nichts. Es gibt weiterhin Hermesbürgschaften für Geschäfte mit der Türkei. Den meisten DAX-Konzernen gefällt das.
Dass die Bundesregierung übrigens – wie es in Döpfners Brief stehen soll – die Initiative des Springerchefs unterstützte, lässt auch ihre Bigotterie erkennen: Ein paar Anzeigen? Ja, bitte. Ernsthafte Konsequenzen und eigenes Handeln? Nein, danke.
Zum Schluss noch ein kleines Phrasenquiz. Bringen Sie folgenden Satz in die richtige Reihenfolge: Moral Fressen Das vor kommt der.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“