Kommentar Spanischer Fluglostenstreik: Populistischer Notstand
Der moderne Spanier sieht sich nicht als Lohnabhängiger, sondern als Konsument. Deshalb gab es kaum Proteste als die Regierung wegen des Streiks den Notstand verhängte.
W ie lenkt man von der Streichung der Hilfe für Langzeitarbeitslose oder einer geplanten Rentenreform ab? Die Antwort: Mit Populismus und Sozialneid. Spaniens sozialistischer Premier, José Luis Rodríguez Zapatero, und sein Stellvertreter, Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, haben das am Wochenende vorgeführt.
Zum Auftakt des Kurzurlaubswochenendes wurde per Dekret eine Arbeitszeitverlängerung für die Fluglotsen erlassen. Diese reagierten empört und meldeten sich reihenweise krank. Der Luftverkehr brach zusammen.
"Sie haben die Bevölkerung als Geiseln genommen", stimmten Politiker, Prominente und Journalisten, die auf einem der spanischen Flughäfen festhingen, bereitwillig ein und forderten einen Militäreinsatz.
Reiner Wandler ist Spanien-Korrespondent der taz.
Zapatero und Rubalcaba zögerten nicht. Sie verkündeten den Notstand und unterstellten die Lotsen der Militärgesetzgebung. Diese knickten angesichts der drohenden Haftstrafen ein. Seit heute vor genau 32 Jahren nach Jahrzehnten der Diktatur die Verfassung in Kraft trat, hat Spanien so etwas nicht gesehen. Kritik gab es dennoch so gut wie keine.
Rubalcaba, der als Nachfolger Zapateros gehandelt wird, beweist, dass er die Mentalität der Spanier kennt. Trotz harter Sparmaßnahmen, um Steuerlöcher zu stopfen und Milliardenhilfen an Banken und Industrie zu bezahlen, bleiben große Proteste aus. Der moderne Bürger sieht sich nicht als Lohnabhängiger, sondern als Konsument. "Wir haben das Recht zu reisen", lautete eines der populärsten Statements in den Warteschlangen.
Nur die winzige, linke Immigrantengewerkschaft Spaniens formulierte die Frage, die sich eigentlich aufdrängen müsste: "Wenn sie das mit Arbeitern machen, die auf der sozialen Leiter oben stehen, was passiert, wenn es zu breiten Protesten von prekären Arbeitern kommt?"
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