Kommentar Spanien: Denkmalsturz per Dekret

Spaniens Vergangenheit kann nicht per Gesetz bewältigt werden. Schon gar nicht, wenn dieses Gesetz vor allem parteipolitische Zwecke erfüllt.

32 Jahre nach Ende der Franco-Diktatur hat Spanien jetzt ein Gesetz zur Vergangenheitsbewältigung. Endlich, könnte man meinen. Doch dem Werk haftet leider ein schwerer Geburtsfehler an, denn es wurde von Parteipolitikern ausgearbeitet. Das führt fast zwangsläufig zu neuen Streitereien. Statt zu einer breiten Aufarbeitung der Vergangenheit und zur Aussöhnung zu animieren und die Spanier im demokratischen Konsens zu einen, droht das neue Gesetz, sie aufs Neue zu spalten und, mit Blick auf die Wahlen im März, für parteipolitische Zwecke missbraucht zu werden.

Denn egal, wer heute in den Volksvertretungen in Madrid oder in den autonomen Region sitzt: Alle Parteien haben ihre ideologischen Vorgänger in der Republik, die im Bürgerkrieg endete - das gilt für die Rechte wie die Linke wie für die Nationalisten der verschiedenen Regionen. Sie sind deshalb ungeeignet, das Gedenken an die Opfer festzuschreiben; zu stark sind sie eigenen Geschichtsbildern verhaftet. Und Politiker schauen eben mehr auf die Bedürfnisse ihrer Klientel als nach vorne.

Die Linksparteien und regionalen Nationalisten, die jetzt das neue Gesetz auf den Weg bringen, haben es sich zu einfach gemacht. Die Republik - und damit die spanische Demokratie - wurde Opfer aufständischer Militärs rund um General Franco, so lautet ihr Fazit. Das ist unbestreitbar richtig. Doch wer dies zur einzigen Leitlinie der Vergangenheitsbewältigung erklärt, der greift zu kurz. Denn als der Bürgerkrieg erst einmal im Gange war, gab es auf allen Seiten Menschenrechtsverletzungen. Wer falsch dachte, hatte weder unter den Franquisten noch unter den Republikanern viel zu lachen: Das gilt für den Umgang der Kommunisten mit Trotzkisten und Anarchisten, von dem mit gläubigen Christen ganz zu schweigen.

Es wäre besser gewesen, das spanische Parlament hätte eine Kommission aus unabhängigen Geschichtswissenschaftlern aus dem In- und Ausland einberufen. Denn so reißt die Debatte um das Gesetz nur alte Wunden auf, ohne eine Perspektive aufzuzeigen, die andere Blickwinkel mit einbezieht.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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