Kommentar Sotschi-Boykott: Olympia als Bühne nutzen

Wenn AthletInnen den Winterspielen in Russland aus Protest fernbleiben, ist den unterdrückten Homosexuellen nicht geholfen. Im Gegenteil.

Protestler in London solidarisieren sich mit Homosexuellen in Russland und demonstrieren gegen die Diskriminierung durch die Regierung Putins. Bild: ap

Homosexuelle Athleten sollten im kommenden Februar lieber nicht Händchen haltend durch Sotschi laufen. Dann könnten für sie die Olympischen Winterspiele 2014 vorfristig beendet sein.

Genau das bedeutet die Ankündigung des russischen Sportministers Witali Mutko, das neue Gesetz gegen „Homo-Propaganda“ auch bei diesem sportlichen Großereignis anwenden zu wollen. Damit wird einmal mehr aller Welt eindrücklich vor Augen geführt, wie in Russland mit sexuellen Minderheiten umgegangen wird. Und dieser Umgang ist menschenverachtend.

Homosexuelle werden erniedrigt, gedemütigt und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Sie werden als krank und abartig angesehen. Sie sind Menschen dritter Klasse, die selbst ernannte Hüter der Moral quälen und manchmal sogar töten – und das in der Regel auch noch ungestraft. Denn anstatt die Täter zur Verantwortung zu ziehen, kriminalisiert der Staat Homosexuelle per Gesetz, was vorhandene Ressentiments weiter befeuert.

Wer angesichts dieser schwersten Menschenrechtsverletzungen einen Boykott der Spiele fordert, wie der britische Schauspieler und Schwulenaktivist Stephen Fry, ist allerdings auf dem Holzweg. Präsident Wladimir Putin interessiert sich schon längst nicht mehr dafür, dass das Ausland seinen autoritären Regierungsstil kritisiert.

Auch die Annahme, die russische Führung könne Sotschi für sich instrumentalisieren, ist falsch. Oder hat sich das Image der Ukraine nach der Ausrichtung der Fußballeuropameisterschaft 2012 nachhaltig verbessert?

Deshalb muss es darum gehen, Sotschi als Bühne zu nutzen. Gefragt wären nicht nur Sporttouristen, sondern vor allem AthletInnen, ihre Funktionäre, die Offiziellen, die Vertreter, die SportjournalistInnen. Sie genießen besonderen Schutz während der Wettkämpfe. Sie sollten ihn nutzen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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