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Kommentar Sonderparteitag der GrünenPolitur fürs Grünen-Image

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Die Basis ist nicht vor dem Vorstand eingeknickt. Sondern sie hat mit offenem Visier den Streit ausgefochten. So bleibt die Partei attraktiv für die WählerInnen der Mitte.

D ie Parteiführung hat sich beim Atomausstieg durchgesetzt. Das ist die oberflächliche Deutung dessen, was die Grünen am Samstag auf ihrem Parteitag beschlossen haben. Dahinter wird deutlich: Die Grünen gewinnen durch ihre öffentliche Auseinandersetzung mit ihrer Kernfrage mehr, als sie durch eine Zustimmung zum schwarz-gelben Ausstiegsplan verlieren.

Die Mehrheit der Delegierten ist dem Antrag des Bundesvorstands gefolgt. Kommende Woche wird die Bundestagsfraktion also Ja sagen zur Abschaltung der letzten Atomkraftwerke im Jahr 2022. Das ist fünf Jahre später als noch vor drei Monaten von der Partei gefordert. Damit ist die Basis jedoch nicht vor dem Bundesvorstand eingeknickt. Sondern sie hat mit offenem Visier den Streit um ihr Kernthema ausgefochten. Auf offener Bühne, mit zwischenzeitlich offenem Ausgang.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es bestätigt und stärkt das Image der Partei als Ort, in dem gesellschaftliche Debatten ausgefochten werden – und dieses Image trügt nicht einmal. Damit wirken die Grünen weiterhin attraktiv auf Wählerinnen und Wähler der Mitte, die das leicht Andersartige der Partei schätzen, aber empfindlich reagieren auf scheinbaren oder tatsächlichen Dogmatismus. Andererseits vermeidet die Partei den Eindruck, sie sei opportunistisch.

privat

MATTHIAS LOHRE ist Parlamentsredakteur der taz.

Aus diesem Kampf trägt kein Beteiligter tiefe Wunden davon: Der unter Parteilinken ungeliebte Jürgen Trittin kann sich gestärkt fühlen, denn sein Kurs hat gewonnen. Parteichefin Claudia Roth hat es geschafft, dass Linke und Realos einander nicht zerfleischen. Schwarz-grüne Koalitionen bleiben, auch wenn darüber kaum ein Grüner gern redet, weiterhin möglich. Und die Anti-Atom-Bewegungen können sich nicht darüber beklagen, sie habe niemand gefragt.

Natürlich werden sich einige abwenden von den Grünen. Doch ein Riss wie noch 2001, als der rot-grüne Atomkonsens entstand, steht den Grünen nicht bevor. Die Partei ist seither mittiger geworden. Die Zeit spielt für die Grünen: Der Einfluss der Bewegungen auf die Partei wird abnehmen, sobald der Atomausstieg beschlossen ist.

Genug Probleme haben die Grünen dennoch: Sie müssen nun alles dafür tun, dass sich in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck verfestigt, auch ihnen sei das Hauptthema abhanden gegangen. Die Konkurrenz mit der Anti-Atom-Bewegung ist vorüber. Die Konkurrenz mit den selbsterklärten neuen Ökoparteien CDU, CSU und FDP hat gerade erst begonnen.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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10 Kommentare

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  • FN
    Floda Nashir

    Das Hauptthema der Grünen ist und bleibt die Umweltpolitik. Natürlich ist die Atompolitik ein wichtiger Bestandteil davon, aber selbst wenn dieser Bestandteil kein Thema mehr sein sollte, gibt es noch tausend andere Bereiche, in denen die Umweltpolitik alles andere als eitel Sonnenschein und schon erledigt ist. [2]

  • J
    jan.reyberg

    @rheinelbe: Daumen hoch

  • N
    Nico

    Die Grünen brauchen nicht beschließen, sie können in

    Baden-Württemberg direkt handeln und zwei weitere

    Kraftwerke abstellen.

    Die grüne Landtagsfraktion muß nur einen entsprechenden Antrag stellen: die Kernkraftwerke

    in Baden-Württemberg bis 2017 abzuschalten.

  • WA
    Wilhelm Achelpöhler

    Der Parteitag war nur vordergründig ein Beweis der Führungsstärke von Fraktions- und Parteivorstand, die demonstrierten, dass sie ihre "Basis" auch für die dümmsten Beschlüsse gewinnen können. Im Hintergrund zeigen sich die "neuen Grünen" aus Baden-Württemberg als treibende Kraft: als Roth und Trittin noch an Merkels Ausstiegsplänen herum kritiserten, forderten Palmer und Kretschmann bereits die grüne Zustimmung für den Ausstieg 2022. Weil man glaubte, dem nichts entgegen setzen zu können, setzte man sich an die Spitze der Bewegung für das "Ja" der Grünen. Die "Anführer" sind tatsächlich die Getrieben.

  • A
    auter

    Alle die sich groß beschwähren hätten sich lieber mal eingebracht und versucht die Partei in eine andere Richtung zu lenken, bei einem Ergebnis von 40-45% Gegenstimmen gegen den BuVo-Antrag, kann niemand behaupten es wäre nicht halbwegs knapp gewesen und in dieser Partei gäbe es dazu einen Konsens.

     

    Also statt immer nur sich zu beschwähren, in die Partei gehen und versuchen die Partei zu verändern!

  • DC
    dr claussen

    Das Hauptthema der Grünen ist und bleibt die Umweltpolitik. Natürlich ist die Atompolitik ein wichtiger Bestandteil davon, aber selbst wenn dieser Bestandteil kein Thema mehr sein sollte, gibt es noch tausend andere Bereiche in denen die Umweltpolitik alles andere als eitel Sonnenschein und schon erledigt ist.

     

     

    Allerdings bezweifle ich erstens, dass das Atom-Thema schon völlig aus der Welt ist und zweitens steht uns mit dem geplanten Fusionsreaktor ITER schon bald das nächste Gigantismus-Kraftwerk ins Haus, das zwar weniger gefährlichen Atommüll produzieren soll, das grundsätzliche Problem der Sicherheit aber wieder nicht löst - wobei es da auch völlig unklar ist, welche bislang unbekannten Probleme wir mit dem Betrieb solcher Kraftwerke bekommen werden.

     

    ...aber Hauptsache wir stecken erstmal 16 Milliarden € Steuergelder der Bürger in eine Projekt, dass wieder nur ausschließlich einzelne monopolistische Energiekonzerne mit zentralistischen Großkraftwerken begünstigt - und schauen dann, ob das Projekt irgendwann (laut Betreiber frühestens in 50 Jahren) funkioniert und überhaupt in der Realität wirtschaftlich Strom produzieren kann.

  • HL
    Hauke Laging

    Wie passen denn

     

    "Es bestätigt und stärkt das Image der Partei als Ort, in dem gesellschaftliche Debatten ausgefochten werden – und dieses Image trügt nicht einmal. Damit wirken die Grünen weiterhin attraktiv auf Wählerinnen und Wähler der Mitte, die das leicht Andersartige der Partei schätzen"

     

    und

     

    "Sie müssen nun alles dafür tun, dass sich in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck verfestigt, auch ihnen sei das Hauptthema abhanden gegangen."

     

    zusammen? Der Erfolg der Grünen hat (neben dem Totalversagen der Wettbewerber) vor allem zwei Ursachen: die Themen der Partei und ihre politische Kultur. Dass die politische Kultur der Grünen Wähler anzieht und die der anderen sie abstößt, gilt aber für alle Themen.

     

    Wo sind denn die Gegner? Wer kann denn welches wichtige Thema besser als wir (in den Augen der Öffentlichkeit)? Die wegen der Agenda 2010 zerlederte SPD mit jemandem wie Nahles in der Spitze? Die aus zig Gründen zum Zerreißen gespannte CDU, die deutschlandweit einem kolossalen Machtverlust entgegensieht und mit dem unaufhaltsamen demografischen Abstieg in die Daueroppositionszone kämpft, die seit Oskars Teilabschied dahinsiechende Linke oder gar die FDP, die gerade ihre Selbstauflösung beschlossen hat?

     

    Wo sollen die Grünen-Wähler denn hinrennen, da der Ausstieg nun beschlossen wird?

  • T
    T.V.

    Also der Eindruck den ich nach der Phoenixübertragung und dem Kommentar hier gewonnen hab ist eher, daß die Mehrheit der Partei nach wie vor nicht links, nicht fortschrittlich denkt. Die emotionalen Reden der Parteispitzen sprechen klar die konsenspopulistische Sprache der "Mitte" und werden mit entsprechendem Beifall belohnt. Das unterstreicht nur für mich, daß diese Partei aus rein ökologischer(wie auch schon länger aus pazifistischer) Perspektive nicht mehr wählbar ist.

    Schade drum!

  • VB
    Volker B.

    Der Author mag das ganze ja schön reden - ich teile seine Einschätzungen nicht.

    Der Schaden für die Antiatombewegung durch diesen Kniefall vor Merkel ist noch nicht abzusehen. Auch denk ich das dies den Grünen nicht gut tun wird. Für was stehen sie denn jetzt noch?

    Ein bekannter Kleinkünstler bezeichnet sie gern als FDP die für Dosenpfand ist. Dem kann ich mich nur anschließen.

  • R
    rheinelbe

    Die Grünen können jetzt als Arbeitsgemeinschaft Ökologie in die CDU eintreten. Das wäre nur folgerichtig.