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Kommentar SmartphonesDas Ding für alle Gelegenheiten

Kommentar von Frédéric Valin

Dieses Gerät, das wir „Smartphone“ nennen, ist kein Telefon. Es wird auch immer weniger zum Telefonieren benutzt. Höchste Zeit, ihm einen neuen Namen zu geben.

Mehr Menschen benutzen ihren tragbaren Rechner als Kamera denn als Telefon. Bild: dpa

K eine Ahnung, warum das Ding eigentlich Smartphone heißt. Wer sich das damals ausgedacht hat, muss sich völlig im Unklaren darüber gewesen sein, was genau da entwickelt wurde. Und was die Leute damit anfangen werden. Das ist inzwischen – Marktforschung sei Dank – anders, es gibt wöchentlich irgendeine Studie zu Verbreitung, Nutzerverhalten, Nutzungsumgebung, Nutzungszeitraum, Nutzungsurzeit, Nützlichkeit und psychischen Abnutzungserscheinungen. Smartphonebesitzer sind die am besten erforschte Spezies des Planeten, man müsste Tierdokus über sie drehen.

Und alle Studien sagen ungefähr das gleiche. Zum Beispiel die, die O2 neulich gemacht hat. Smartphonenutzer bewegen mithilfe ihres Werk- oder Spielzeugs (seit Tooltime gibt es da keinen Unterschied mehr) ungefähr zwei Stunden am Tag im Netz. Davon surfen sie 25 Minuten, sind 17 Minuten in sozialen Netzwerken, hören 15 Minuten Musik und spielen 14 Minuten Spiele. Dann erst, Punkt fünf, kommt das Telefon als Telefon zum Einsatz (12 Minuten).

Auf den weiteren Plätzen: Mails schreiben, chatten, Filme sehen, Bücher lesen und Fotos machen (Füße, Essen, Katze). Dreieinhalb Minuten nimmt sich ein Smartphone-Nutzer am Tag, um Fotos zu machen, und auch wenn bei vielen Bildern man sagen muss: fünf oder vielleicht zehn Minuten wären besser, ist das doch eine erstaunlich lange Zeit. Noch erstaunlicher: Unter den Befragten nutzen mehr Leute ihr Smartphone als Kamera (74%) denn als Telefon (71%).

Bild: Claudia Thomas
FRÉDÉRIC VALIN

ist Autor der taz.

Wer sich ein Smartphone anschafft, verabschiedet meistens nach und nach von MP3-Player, Wecker, Uhr, manchmal sogar die Kamera, und irgendwann in der Zukunft dann Kreditkarten und Bargeld.

Das ist kein Telefon, das ist ein Rechner, ein Taschenrechner. Passt viel besser als Wort, und zu dem, was heute Taschenrechner heißt, kann man auf Deutsch wie in allen anderen relevanten Sprachen auch eben Kalkulator sagen, klingt eh viel besser, als wäre das ein Transformer. Wie viel besser wäre die Stimmung in den Klassenzimmern, wenn die Lehrerin Montagmorgen sagt: „Kinder, holt euren Kalkulator raus!“

Bloß da die Deutschen ohnehin zum Sprachkonservatismus neigen, wird das wohl ein frommer Wunsch bleiben. Vielleicht kann man es trotzdem deanglifizieren und ab sofort (analog zu Flugzeug) Kommunikationsgedöns nennen. Oder vielleicht Netzklinke. Wenn man die drückt, kommt man ins Internet.

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Übrigens lustig zu sehen, wie schnell sich das Smartphone durchgesetzt hat. Es gibt auf Youtube dieses sagenhafte Interview mit Steve Ballmer, da macht er sich über das iPhone lustig. Allein bei dem Wort iPhone fängt er das Grinsen an und fast scheint es, als würde er amüsiert links an der Kamera in die Zukunft linsen. Dann fängt sein Kopf an zu wackeln und aus seinem Mund fällt – wie wir heute wissen – einiges an Unsinn. Zu teuer, nicht handlebar genug und so weiter.

Täuscht es mich oder hat Ballmer seither ein paar Kilo zugenommen?

Was er da sagt, wirkt heute wie ein Zeitdokument, dabei ist es kaum fünf Jahre alt. Fünf Jahre, das ist auch ungefähr der Abstand, den Ilse Aigner zum Heute hat. Die fordert immer wieder einen Rückbau der Smartphones auf das Niveau eines stationären Rechners, ein Smartphone als Insellösung. Als ob so eine Netzklinke nicht völlig uninteressant wäre, wenn nach der Tür eine Mauer kommt.

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8 Kommentare

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  • T
    Trackerboy

    Niedlicher Artikel, wirklich. Das Ding ist vor allem ein Tracker, warum wird das Wort hier so gar nicht erwähnt ? Darf es nicht sein oder soll man es nicht wissen ?

  • S
    Swilly

    Ich warte immer noch auf das Smartphone, dass meine Wäsche wäscht und die Fenster putzt....

  • DS
    dieter schütte-boelter

    Moin-moin vom laptop... oder heißt es

    läbdopf??

    oder miniaufklappbarer tisch/ bodenrechnergedönsdadingsbums??!!

    Danke für die anregenden Anmerkungen.. Da wir 3 kinder im alter von fast 6 und bis 11 herumlaufen lassen, teilen wir besonders die Ansicht über altes Gewäsch von vor 5 Zeiteinheiten sehr...

    Prima, was so ein kleines unbescholtenes Dingsbummsgedöns so alles archivieren kann, wem es so alles kontaktieren kann oder auch die super kluge ... emphatische WORTERkennung bei einer Firms...

    Greetings.. aus der Heidemetropolrcityhautstadt : lüneburg--

    Moinsen..

    Dieter Schütte-Boelter

  • F
    felix

    Es gibt schon einen Namen dafür: Palmtop, Pocket Computer, Taschencomputer oder so ähnlich. Die Geräte der Firma Palm hatten alle möglichen Funktionen: Adressbuch, Terminkalender, pdf-Reader, MS-Office-Dokumente anzeigen und bearbeiten usw. Die Funktionen kommen denen eines Smartphones ziehmlich nahe. Dann kamen Geräte heraus, in denen Palmtop und Handy miteinander verschmolzen sind, das waren die Blackberrys - eine Entwicklung, die Palm leider verpasst hat.

     

    Palmtop finde ich einen sehr passenden Begriff - leider ist Palm ein eingetragener Markenname und darf im Zusammenhang mit den kleinen Handcomputern nicht mehr verwendet werden, ausser eben von der Firma Palm, bzw. deren Rechteinhabern.

  • MN
    Mein Name

    Auch wenn sich Microsoft in letzter Zeit nur Fehler macht:

    Steve Ballmer hat Recht, wenn er das iPhone als verteuerte Verpackung zu längst vorhandenem bezeichnet. Er hat auch recht, wenn er sagt, das es nicht zum Arbeiten taugt, weil die Tastatur fehlt.

     

    Einer der größten Irrtümer des Softwaregiganten ist jedoch, dass die Leute IT zum arbeiten verwenden wollen.

     

    Und was die Metapher mit der Tür und der Mauer betrifft: Erst seit dem iPhone ist man bei Smartcomputern an eine zensierte Vorauswahl an Apps/Medien gebunden.

     

    Den Begriff Smartcomputer gibt es übrigens auch schon seit über 5 Jahren.

  • W
    Wortschatztrainer

    Heißt das gar nicht mehr Handy?

  • M
    Megestos

    Ja, es stimmt, Smartphones sind eher Minicomputer die unter anderem Telefonieren können (und das können die großen z.B. mit Skype auch). Ist aber kein Grund, den Namen zu ändern!

     

    Es doch ganz normal, dass Begriffe, die wir für Dinge und Konzepte haben, sich mit der Zeit von ihrer "ursprünglichen" Bedeutung entfernen.

     

    Etymologie ist völlig überbewertet. Solange ein Begriff einigermaßen eindeutig ist und von sehr vielen Menschen verstanden wird, sollte es egal sein, ob seine Herkunft "Sinn" macht oder nicht.

  • O
    Oliver

    Liebe taz, Smartphones gibt es nicht erst seit dem iPhone. Als Stichwort sei hier der Nokia Communicator genannt. Den gab es 1996. Dass der Name Blödsinn ist ist natürlich korrekt. Es handelt sich - schon immer - um einen PDA mit Funkmodul und das Telefon ist nur eine Applikation unter vielen, die das Gerät beherrscht. Das war auch Apple klar. "iPhone" als Produktname und Smartphone als Kategorie ist aber deutlich erfolgsversprechender, als eine andere _neue_ Bezeichnung zu wählen. Denn durch das "phone" im Namen weiß zumindest jeder Depp, worum es geht. Hätte das iPhone (wie geplant) iPad geheißen, wäre der Erfolg nicht so groß gewesen. Denn dann hätte man erklären müssen, was denn so ein iPad sei. Jedes Mal.