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Kommentar Sipri-Rüstungsexport-BerichtDer fehlende Wille

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Noch immer geben Staaten mehr Geld für Waffen als für Nothilfe und nachhaltige Entwicklung aus. Damit haben sie ihre eigenen Ziele verfehlt.

US-Luftschlag gegen den IS im Oktober 2014 in Kobane. Für Waffenexporteure bedeutet Krieg Umsatz Foto: ap

D eutschland steckt 1,2 Prozent seines Bruttoinlandseinkommens in das Militärbudget. 0,43 Prozent fließen in öffentliche Entwicklungshilfeleistungen. Im internationalen Vergleich stehen wir damit gar nicht so schlecht da. Da wird nämlich zwölfmal mehr für das Militär als für die Entwicklungshilfe ausgegeben.

Nun ja: Das 0,7-Prozent-Ziel, auf das sich alle Staaten bei ihren Milleniumszielen verständigt hatten, ist auch in Deutschland noch in weiter Ferne. Und dass sich die EU-Länder 2005 dazu verpflichtet hatten, diese Marke bis 2015 zu erreichen und dazu damals sogar einen „verbindlichen Zeitplan“ beschlossen hatten, soll offenbar auch Schnee von gestern sein. Schwarze Nullen gelten ja als wichtiger.

Das internationale Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat in seinem heute erscheinenden „Military Expenditure“-Report nicht nur errechnet, dass im vergangenen Jahr weltweit 1676 Milliarden Dollar für das Militär ausgegeben wurden – mindestens, von einigen Ländern fehlen verlässliche Zahlen –, sondern erinnert auch an eine Forderung der „Global Campaign on Military Spending“. Danach sollten alle Länder ihre Militärausgaben um 10 Prozent senken und dieses Geld stattdessen zur Lösung globaler Probleme wie die Bekämpfung von Armut und Hunger ausgeben, sowie in Bildung und Gesundheit statt in Panzer und Munition stecken.

167 Milliarden Dollar wären wahrlich eine gewaltige Summe. Mehr als die gesamten globalen Entwicklungshilfeleistungen, die sich 2015 auf 137 Milliarden belaufen hatten. Und man könnte damit verdammt viel erreichen, rechnet SIPRI vor. Beispielsweise ließen sich damit die jährlichen Kosten für die von den Vereinten Nationen formulierten und zum Jahresbeginn in Kraft getretenen „Ziele nachhaltiger Entwicklung“ auf den Gebieten Gesundheitsvorsorge, Wasser und Sanitär, sowie Biodiversität und Schutz der Ökosysteme vollständig finanzieren.

Man kann auch bescheidener sein: Das UN-Nothilfebüro OCHA hat kürzlich beklagt, dass von den 125 Millionen Menschen in 37 Ländern, die von Flucht oder Naturkatastrophen betroffen sind, die Nothilfe bislang nur für 87 Millionen gesichert sei und noch eine Finanzierungslücke von 20 Milliarden Dollar bestehe. 1,19 Prozent der Militärausgaben.

Was fehlt also? Der Wille.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • Bitte fuehren Sie auch die Betraege auf, die in Familienplanung geflossen sind. Vermeidung von Ueberbevoelkerung waere erst recht ein Mittel zur Kriegsvermeidung. Das zeigt ein noch groesseres Missverhaeltnis.

  • Danke für das schöne Bild als Aufmacher.

    Da stecke ich mir doch glatt den Leuchtturmwärter an den Hut.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es denn, wenn man die Friedens- und Konfliktforschung mit 50% der jeweiligen Militäretats ausstattet? Dann würden viele Kriege gar nicht erst entstehen. Aber ja, ich weiß, das ist mehr als naiv gedacht. Schließlich haben Friendesinitiativen die Tendenz, die blendenen Geschäfte der Rüstungsindustrie zu stören. Das kostet ja Arbeitsplätze, das geht doch nicht! Die Menschheit zerstört sich selbst - und sie weiß es.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Kriege dienen ja nicht nur der Rüstungsindustrie. Innerhalb kurzer Zeit destabilisieren sie ganze Regionen und bringen massive Veränderungen. Für Kapitalisten die Chance neue Märkte zu erobern und gute Gewinne zu machen. Auf friedlichem Wege würde das für die Shareholder viel zu lange dauern.