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Kommentar SiemensDie Wut der Aktionäre

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Auch Manager müssen der Realität ins Auge sehen. Führen ihre Fehler zu weniger Gewinn, fordern die Aktionäre Genugtuung.

D ie Zeiten, in denen sich Manager sicher fühlen konnten, sind vorbei. Jetzt trifft es zehn ehemalige Siemens-Vorstände: Es könnte sein, dass sie demnächst Schadenersatz in Millionenhöhe an ihren einstigen Arbeitgeber zahlen müssen. Denn die Kosten, die Siemens durch die Korruptions- und Bestechungsaffären entstanden sind, dürften sich langfristig auf mehrere Milliarden Euro belaufen.

Bild: TAZ

Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Überraschend ist die Nachricht nicht. Schon seit Anfang des Jahres halten sich Gerüchte, dass die neue Siemens-Führung rund um Peter Löscher ihre Vorgänger zur Kasse bitten will. Es ist auch keinesfalls das erste Mal, dass Manager plötzlich erleben müssen, dass sie mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden. Ganz im Gegenteil: Fast jedes Großunternehmen kann von entsprechenden Erfahrungen berichten, ob Daimler oder VW.

Die Manager-Haftung treibt alle Konzerne derart um, dass daraus ein völlig neues Geschäftsfeld für die Versicherungsbranche entstanden ist: Sie bietet jetzt routinemäßig "Directors & Officers Liability"-Policen an, also eine spezielle Haftpflichtversicherung für Chefs. Fast alle Großunternehmen haben sie abgeschlossen - auch Siemens. Allerdings zahlen die Versicherungen nur, wenn kein Vorsatz seitens der Manager nachgewiesen werden kann. Dieses wichtige Detail ist bei Siemens noch ungeklärt.

Hinter dem Boom der Schadenersatzforderungen steht ein verschärftes Haftungsrecht, das wiederum auf den Druck der Anleger zurückzuführen ist. Die Orientierung am Shareholder Value trifft eben keineswegs nur die Belegschaften, die des Öfteren erleben müssen, dass ihre Arbeitsplätze abgebaut werden, allein um die Rendite zu steigern. Auch die Manager bekommen die Wut ihrer Aktionäre zu spüren, sobald Fehlentscheidungen zu Gewinneinbrüchen führen.

Es symbolisierte das Doppelgesicht des Shareholder Value daher sehr passend, dass Siemens jetzt gleich zweifach in den Nachrichten war: Es verdichteten sich nicht nur die Gerüchte, dass die Exmanager Millionen zahlen sollen. Gleichzeitig gibt es nun auch eine Verständigung mit dem Betriebsrat, wie 5.250 Stellen in Deutschland abgebaut werden sollen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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