Kommentar Siedlungen in Israel: Bei Abzug Volksbefragung
Die israelische Bevölkerung muss den Abzug aus besetzten Gebieten in einer Volksabstimmung befürworten, sollte sich Netanjahus Regierung dafür entscheiden.
B enjamin Netanjahu, der israelische Premierminister, schafft es noch nicht einmal, in der eigenen Regierung einen weiteren Baustopp in den Siedlungen durchzusetzen. Und schon baut er sich selbst auf dem Weg zum Frieden neue Hindernisse auf. Die israelische Bevölkerung muss den Abzug aus besetzten Gebieten in einer Volksabstimmung befürworten, sollte sich Netanjahus Regierung dafür entscheiden. Damit rückt der Frieden in Nahost noch ein Stückchen weiter in utopische Ferne, als er es bislang schon war. Nichts anderes war aber offenbar das Ziel.
Anders als heute gab es gute Gründe, als Anfang der 90er Jahre ein Referendum diskutiert wurde. Damals ging es um die Golanhöhen, über die der später ermordete Regierungschef Jizhak Rabin verhandelte, ohne dafür ein Mandat zu haben, wie seine Kritiker urteilten. Rabin war mit dem Versprechen in die Wahl gegangen, nicht vom Golan abzuziehen. Das Referendum hätte ihm nachträglich die Rückendeckung der Bevölkerung verschaffen können.
Netanjahu hat jedoch nichts dergleichen nötig. Niemand, nicht einmal seine schlimmsten Kritiker, sprechen ihm das Mandat ab, über territoriale Zugeständnisse zu verhandeln. Das neue Gesetz nimmt Regierung und Knesset Entscheidungsbefugnisse, die niemals infrage gestellt wurden. Netanjahu gibt freiwillig die Verantwortung aus der Hand.
Susanne Knaul ist Israel-Korrespondentin der taz.
Zu viel Mitspracherecht der Bürger kann kontraproduktiv sein, denn bisweilen braucht das Volk länger zum Umdenken als seine Führung. So hätten die Israelis dem Frieden mit Ägypten für den Preis der Sinai-Halbinsel niemals zugestimmt, selbst dann noch nicht, als Präsident Anwar Sadat die historische Reise nach Jerusalem antrat.
Das Vertrauen in einen Frieden wuchs erst mit dem Frieden. Zum Glück preschten der konservative Menachem Begin und sein ägyptischer Partner Sadat im Frieden damals im Alleingang nach vorn. Ein Heldenakt, zu dem Netanjahu nicht in der Lage ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül