Kommentar Sender von ARD und ZDF: Jugend verzweifelt gesucht
Der Personalrat des ZDF stellt sich gegen den geplanten Jugendkanal. Das ist fatal, denn der Sender braucht ein junges Publikum.
F ast zwei Jahre lang zerren ARD und ZDF nun schon an ihrem Jugendkanal. Dabei sah das Konzept, das ZDF-Intendant Thomas Bellut vor knapp einem Jahr vorgestellt hat, ganz vielversprechend aus. Die Ministerpräsidenten der Länder konnte es trotzdem nicht überzeugen. Jetzt hat auch der Personalrat des ZDF sein Veto eingelegt: Sollte der Sender tatsächlich so hart sparen, wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) es vorschreibt, nämlich 562 Stellen bis 2020, dann wird es keinen Jugendkanal geben.
Das klingt erstmal plausibel. Ein neues Programm, mit anspruchsvollem Inhalt in Fernsehen, Radio und Internet braucht gute Leute und genügend Geld. Andererseits ist das eben auch eine Frage der Priorität. Für all die Rosamunde Pilchers, Champions League Finale und verkorksten Unterhaltungsshows ist ja auch Geld da. Dabei wird es für die Jugend dringend gebraucht. ARD und ZDF können es sich nicht leisten, sie zu verprellen.
Die Landesrundfunkanstalten der ARD machen es seit Jahren vor: Jede Radiowellehat mittlerweile ihren eigenen Jugendsender. Und auch wenn der Bayerische Rundfunk als letzte dieser Wellen sich immer noch schwer tut, seinem Jugendkanal „Puls“ eine UKW-Frequenz zu geben, hat er immerhin kräftig in den Sender investiert und ein gutes Programm aufgebaut.
Damit kommen die Landesrundfunkanstalten einerseits ihrer Pflicht nach, Programm für alle Altersklassen anzubieten. Zum Anderen sichern sie sich damit aber auch die Hörer der Zukunft: Wer mit 15 in Berlin lebt und „Fritz“ (Jugendkanal vom RBB) hört, hört wahrscheinlich mit Ende 20 „Radio Eins“ (auch rbb) und später das Info- oder Klassikradio vom rbb. Den Hörer begleiten, von der „Wiege“ bis zum „Grab“, das ist das Konzept der Landesrundfunkanstalten.
Ein Programm für alle funktioniert nicht
ARD und ZDF sind lange eine andere Strategie gefahren: Ein Programm für alle, da wird schon jeder etwas finden. Stimmt aber nicht: Der Durchschnittszuschauer beim ZDF ist 61 Jahre alt, bei den Dritten sogar 63 – es sind also vor allem die Alten, die etwas finden. Wer Erwachsenen- und Seniorenprogramm anbietet, bekommt eben auch genau diese Zuschauer. Die Jungen haben ARD und ZDF vertrieben.
Klar, sie sind auch schwer zu kriegen. Die, die überhaupt noch lineares Fernsehen gucken, schalten Pro7 und RTL ein. Die anderen gucken Youtube oder Streams im Internet. Aber genau da könnte ein gemeinsamer Jugendkanal von ARD und ZDF sie ja abholen. Der – wenn auch kleine – Erfolg von ZDF Neo zeigt ja, dass junge Leute sehr wohl öffentlich-rechtliches Fernsehen gucken. Schließlich bezahlen sie dafür.
Sie nun mit einer Absage an einen Jugendkanal zu vergraulen, ist ignorant und kurzsichtig. Auch wenn die Beitragskassen der Öffentlich-Rechtlichen noch immer ziemlich voll sind, müssen sich ARD und ZDF mehr um die Jugend bemühen. Wenn sie das im Hauptprogramm schon nicht schaffen, dann wenigstens in ihren Spartensendern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!